Tel: 028 41 - 88 2770
Allgemeine Geschäftsbedingung trotz handschriftlicher Zusätze?

Allgemeine Geschäftsbedingung trotz handschriftlicher Zusätze?

(01.12.2019) Handschriftliche Zusätze (hier: Prozentsätze für Einbehalte), die in vorformulierte Vertragsmuster eingetragen werden, ändern jedenfalls dann nichts an der Einordnung der davon betroffenen Klausel als Allgemeine Geschäftsbedingung, wenn sie auf den Vertragsinhalt und die gegenseitigen Pflichten keinen wesentlichen Einfluss haben, so das  OLG Celle, Urteil vom 02.10.2019 - 14 U 94/19)

Der Auftragnehmer (AN) wird mit Wand- und Fassadenarbeiten für 920.000 Euro betraut. Bei den Vertragsverhandlungen legt der Auftraggeber (AG) ein vorgedrucktes Verhandlungsprotokoll vor, das bei den Klauseln zu Sicherheiten und Abschlagszahlungen für die jeweilige prozentuale Höhe Leerfelder vorsieht. Diese Leerfelder sind handschriftlich ausgefüllt. Danach soll der AN Abschlagszahlungen i.H.v. 90% der erbrachten Nettoleistung erhalten. Der AG darf als Sicherheit für die Vertragserfüllung 10% der Abschlagszahlungen einbehalten, maximal 10% der Auftragssumme; diesen Einbehalt darf der AN durch Sicherheit ablösen. Für die Gewährleistungszeit soll ein Einbehalt von 5% gelten, ablösbar durch Bürgschaft. Ähnliche Klauseln enthält der Bauvertrag, der auf das Verhandlungsprotokoll Bezug nimmt. Der AN stellt eine Vertragserfüllungsbürgschaft i.H.v. 92.000 Euro. Diese Bürgschaft will der AN in Anspruch nehmen, weil die Bauleistung erhebliche Mängel aufweist. Mit Erfolg? 

Nein! Die zwischen AN und AG getroffene Sicherungsabrede ist gem. § 307 BGB unwirksam. Sie belastet den AN über Gebühr, weil der AG im Ergebnis eine Sicherheit von 20% erhält. Abschlagszahlungen werden nur zu 90% vergütet und zusätzlich hat er die Vertragserfüllungsbürgschaft i.H.v. 10%. Das überschreitet weit die für Vertragserfüllungsbürgschaften geltende Grenze von maximal 10% der Auftragssumme. Die Regelungen im Verhandlungsprotokoll sind Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB). Die handschriftlichen Eintragungen der Prozentsätze ändern daran nichts. Diese Eintragungen sind nicht aufgrund eines Aushandelns erfolgt, zudem sind die Prozentsätze möglicherweise schon vor Aufnahme der Verhandlungen vom AG in das Verhandlungsprotokoll eingetragen worden. Auf die im Leitsatz zitierte Entscheidung des BGH kann sich der AG nicht berufen. Der BGH hat entschieden, dass keine AGB vorliegt, wenn eine Baukostenobergrenze in ein Formular eingetragen wird. Denn diese Baukostenobergrenze soll nur einmal für den konkreten Vertrag gelten. Hier liegt der Fall anders. Bei den Baukosten handelt es sich um einen wesentlichen Vertragsinhalt, der Einfluss auf die gesamte Vertragsgestaltung hat. Die hier betroffenen Prozentsätze zu Sicherheiten und Abschlagszahlungen haben keine vergleichbare Bedeutung. Der Vertrag als solcher kann auch ohne die im Streit stehenden Klauseln bestehen bleiben. 

Die strenge Kontrolle von AGB kann durch Formulare, die ein Ankreuzen verschiedener Vertragsbedingungen oder das Ausfüllen von Leerfeldern vorsehen, nicht ohne Weiteres ausgeschlossen werden. Bei "Ankreuzlösungen" wird zumeist nur die Wahl zwischen unterschiedlichen Klauseln eröffnet; das ändert nichts daran, dass die alternativen Klauseln AGB sind. Bei Leerfeldern bleibt zumindest der vorformulierte Teil eine kontrollfähige Allgemeine Geschäftsbedingung. Im Fall des OLG Celle fällt auf, dass die handschriftlich eingetragenen Prozentsätze in der Praxis sehr häufig verwendet werden. Anders als in der Entscheidung des BGH zur Baukostenobergrenze geht es gerade nicht um auf den individuellen Vertrag abgestimmte Regelungen.