Anerkannte Regeln der Technik nicht eingehalten: Leistung ist - auch ohne Schaden - mangelhaft!
(30.04.2018) Bei einem Verstoß gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik liegt ein Mangel regelmäßig auch dann vor, wenn hierdurch noch kein Schaden oder keine Funktionsbeeinträchtigung eingetreten ist. Die Nichtbeachtung von Herstellerrichtlinien führt nur dann zu einem Mangel, wenn sie Teil der Beschaffenheitsvereinbarung sind. Davon ist etwa dann auszugehen, wenn der Besteller die Verwendung eines bestimmten Materials vorschreibt und die Richtlinie dazu dient, Risiken des Materials abzuwenden, so das OLG Schleswig in dessen Beschluss vom 26.07.2016 - 1 U 19/14.
Der Bauherr hatte von einem Bauträger eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus erworben. Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums war zu diesem Zeitpunkt durch die übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft bereits erfolgt. Der vom Bauträger aufgestellte Kaufvertrag sah vor, dass spätere Erwerber (sog. "Nachzügler") an eine solche Abnahme gebunden sein sollten. Nach einigen Jahren traten im Keller Wasserschäden auf. Der Bauherr macht geltend, der Bauträger habe die Kellerabdichtung nur unzureichend ausgeführt. Der Bauträger wendet ein, ihn treffe keine Verantwortung, weil ein Zusammenhang zwischen den Schäden und der Kellerabdichtung nicht nachzuweisen sei. Als Ursache hierfür käme etwa auch eine nicht hinreichend gewartete Hebeanlage in Frage. Der Bauherr begehrt dennoch einen Kostenvorschuss i.H.v. 73.000 Euro.
Zu Recht! Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass für die ordnungsgemäße Kellerabdichtung wegen "drückenden Wassers" nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik eine funktionierende Drainage und eine erhöhte Isolierung der Kelleraußenwände erforderlich gewesen wären. Beides liegt nicht vor. Insbesondere ist die notwendige kunststoffmodifizierte Dickbeschichtung der Kelleraußenwände nicht den Vorgaben des Herstellers entsprechend ausgeführt worden. Bereits aus diesem Verstoß gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik ergibt sich die Verantwortlichkeit des Bauträgers, ohne dass es zusätzlich noch des Nachweises darüber bedarf, dass die aufgetretenen Wasserschäden auf die unsachgemäße Kellerabdichtung zurückzuführen sind.
Die Entscheidung spricht u. a. zwei wichtige Punkte des Mängelgewährleistungsrechts an. Zum einen wird immer wieder von Bauunternehmern im Prozess vorgetragen, es läge kein Mangel vor, weil doch noch gar kein Schaden eingetreten sei oder das Gebäude ohne Funktionsbeeinträchtigung genutzt werden könne. Dies ist aber zu kurz gedacht. Denn für die Annahme eines Mangels reicht es nach der Rechtsprechung des BGH (IBR 2006, 131) aus, dass aufgrund des Verstoßes gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik eine Ungewissheit über die Risiken des Gebrauchs oder die Gefahr einer nachhaltigen Funktionsbeeinträchtigung besteht. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Unternehmer nachweist, dass die Gebrauchstauglichkeit des Werks nicht beeinträchtigt ist und auch sonst kein Risiko droht. Zum anderen ist auf die Bedeutung der sog. "Herstellerrichtlinien" hinzuweisen. Deren Nichtbeachtung führt nämlich nicht, wie man meinen könnte, stets zur Bejahung eines Mangels. Vielmehr sind Herstellerrichtlinien durch den Unternehmer erst dann zwingend zu beachten, wenn die Parteien sie zum Gegenstand der Beschaffenheitsvereinbarung gemacht haben. Dies wiederum kann natürlich durch eine ausdrückliche Einbeziehung in den Vertragstext, aber auch in schlüssiger Form etwa dadurch geschehen, dass der Bauherr die Verwendung eines bestimmten Materials vorschreibt und/oder die Herstellerrichtlinien erkennbar dazu dienen, bestimmte Risiken des Materials auszuschließen.