Aufmaß des Auftragnehmers bestätigt: Kann der Auftraggeber wieder "zurückrudern"?
(10.05.2024) Sofern ein gemeinsames Aufmaß nicht vorliegt und infolge Nacharbeiten ein solches auch nicht mehr genommen werden kann, genügt der Auftragnehmer für den Umfang der erbrachten Leistungen seiner Darlegungslast, wenn er Tatsachen vorträgt, die dem Gericht die Möglichkeit eröffnen, gegebenenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen die für die Errichtung des Bauvorhabens angefallene Mindestvergütung zu schätzen. Zur Darlegung genügt grundsätzlich die Vorlage der Schlussrechnung mit dem Beweisantritt durch Sachverständigengutachten. Hat der Auftraggeber die einseitig ermittelten Massen des Auftragnehmers bestätigt und ist aufgrund nachfolgender Arbeiten eine Überprüfung dieser Mengen nicht mehr möglich, muss der Auftraggeber zum Umfang der von ihm zugestandenen Mengen vortragen und beweisen, dass diese nicht zutreffen, so das OLG Nürnberg, Urteil vom 20.06.2023 - 6 U 3395/22.
Der Auftragnehmer (AN) verlangt vom Auftraggeber (AG) die Zahlung restlichen Werklohns für Abbrucharbeiten aus einem Einheitspreisvertrag unter Geltung der VOB/B. Nach Kündigung des Vertrags ließ der AG eine Ersatzvornahme durchführen. Der AN behauptet, er habe die Leistungen auftragsgemäß erbracht. Ein gemeinsames Aufmaß haben die Parteien nicht erstellt. Entscheidung Die Klage hat Erfolg. Ausgehend vom Maßstab des BGH im sog. "Dachdeckergerüste"-Urteil (IMR 2006, 661) führt das OLG aus, dass der AN seine erbrachten Leistungen darzulegen und zu beweisen hat. Kann zu diesem Zweck - z. B. wegen später ausgeführter Arbeiten durch ein Drittunternehmen - ein Aufmaß nicht mehr genommen werden, genügt der AN seiner Darlegungslast, wenn er dem Gericht Tatsachen für eine Schätzung der Mindestvergütung unterbreitet. Gelingen kann dies durch Vorlage einer Schlussrechnung, aus der sich Art und Umfang der erbrachten Leistungen hinreichend ergeben. Einem Beweisangebot durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Schätzung der Vergütungshöhe hat das Gericht dann grundsätzlich nachzugehen. Die Darlegungs- und Beweislast "verschiebt" sich, wenn der AN die Mengen einseitig ermittelt und der AG diese etwa durch einen Prüfvermerk in der Schlussrechnung bestätigt hat. Ist dann aufgrund nachfolgender Arbeiten eine Überprüfung dieser Mengen nicht mehr möglich, muss der AG zum Umfang der von ihm zugestandenen Mengen vortragen und beweisen, dass diese nicht zutreffen. Dieser Beweis gelang dem AG im vorliegenden Fall nicht.
Es stellt den Auftragnehmer regelmäßig vor Beweisschwierigkeiten, wenn seine Leistungen durch nachfolgende Arbeiten verdeckt oder durch ein Drittunternehmen fertig gestellt werden. Dem Vorwurf eines unzulässigen Ausforschungsbeweises entgeht er durch Vorlage einer Schlussrechnung, aus der sich der Leistungsumfang ergibt, verbunden mit dem Beweisangebot auf Einholung eines Sachverständigengutachtens. Schwierig wird es in dieser Konstellation für den Auftraggeber, der die einseitig ermittelten Mengen aus der Schlussrechnung bereits bestätigt hat. Er muss vortragen und beweisen, welche Massen zutreffen oder dass die vom Auftragnehmer angesetzten Massen unzutreffend sind. Fazit: Ein Aufmaß ist möglichst gemeinsam vorzunehmen (vgl. § 14 Abs. 2 VOB/B). Im Fall einer Kündigung aus wichtigem Grund besteht die Möglichkeit, von der Gegenseite zu verlangen, dass sie an einer gemeinsamen Feststellung des Leistungsstands mitwirkt (vgl. § 648a Abs. 4 BGB).