Auftragnehmer trägt das Schlechtwetterrisiko!
(08.04.2018) Für das Wetter gilt der Grundsatz aus § 644 Abs. 1 BGB, dass der Unternehmer vor der Abnahme des Werks dessen Sachgefahr und damit auch das Risiko schlechten Wetters trägt, so das OLG Frankfurt, Urteil vom 29.05.2015 - 24 U 7/15 - Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen.
Der Auftragnehmer (AN) verpflichtet sich im Oktober, einen Rohbau bis Ende Januar fertig zu stellen. An 19 Tagen im Zeitraum von Dezember bis Februar sieht sich der AN aufgrund von Temperaturen bis maximal minus 15°C gehindert zu arbeiten. Zudem soll dies noch an weiteren Tagen wegen Schneefällen der Fall gewesen sein. Dafür begehrt der AN zusätzlichen Werklohn gem. § 2 Abs. 5 VOB/B. Der Auftraggeber (AG) verhandelt zwar mit dem AN, weigert sich aber, eine zusätzliche Vergütung zu bezahlen.
Das OLG gibt dem AG Recht! Es verweist zunächst darauf, dass 19 Tage Frost, von denen nur vier über 10 Minusgrade hinausgingen, im Winter nicht ungewöhnlich sind, selbst wenn in den 20 Jahren zuvor durchschnittlich an weniger Tagen Frost war. Auch der Schneefall von ca. 10 cm bis maximal 15 cm ist im Winter zu erwarten. Daher sieht das OLG keinen Anlass für eine Abweichung von der allgemeinen Gefahrtragungsregelung des § 644 Abs. 1 BGB. Danach trägt der Unternehmer vor der Abnahme die Leistungs- und Vergütungsgefahr, d. h. er bleibt bis zur Abnahme zur vertragsgerechten Erfüllung der Leistung verpflichtet. Er trägt die Risiken der fristgerechten und ordnungsgemäßen Erfüllung, solange die Erbringung der Leistung nicht durch den Besteller be- oder verhindert wird. Für schlechtes Winterwetter ist der Besteller auch unter dem Gesichtspunkt des § 642 BGB nicht verantwortlich. Es ist schon nicht erkennbar, welche Mitwirkungspflicht der Besteller bei schlechtem Wetter verletzt haben sollte. Die Grundstückseigenschaften, insbesondere seine Erreichbarkeit und Tragfähigkeit, stehen der Bebauung auch im Winter nicht entgegen. Ungeeignetes Wetter haftet dem Grundstück nicht als Eigenschaft an; das gilt insbesondere für die Temperatur, aber auch für eine räumbare Schneedecke. Auch kann sich der AN nicht darauf berufen, dass die vom AG in der Ausschreibung gewählte Bauzeit ihn dazu verpflichtet, witterungsbedingte Mehrkosten zu übernehmen. Der AN hat es schließlich selbst in der Hand gehabt, die zu erwartenden Erschwernisse einer Bauausführung im Winter einzukalkulieren oder zu versichern.
Es ist eine Binsenweisheit, dass man im Winter mit Schnee und Eis rechnen muss. Bei VOB/B-Verträgen stellt dies § 6 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B auch nochmals dar. Der Zwang, möglichst preiswert anzubieten, verleitet Unternehmer aber immer wieder, von einem zu milden Winter auszugehen. Daraus Ansprüche herzuleiten, gelingt regelmäßig nicht (vgl. z. B. BGH, IBR 2017, 320; OLG Zweibrücken, IBR 2017, 140), solange es sich nicht um wirklich außergewöhnliche Witterungsumstände handelt. Diese sind nur bei einer deutlichen Abweichung von den Mittelwerten eines wenigstens 10 Jahre dauernden Zeitraums gegeben. Die bloße Überschreitung des Mittelwerts ist nicht außergewöhnlich, da üblicherweise auch vereinzelt Spitzen auftreten. Es kann Unternehmern daher nur empfohlen werden, von realistischen Witterungsverhältnissen bei der Kalkulation auszugehen. Erweist sich die Kalkulation als zu optimistisch, sollte der Unternehmer versuchen, sich mit dem Auftraggeber zu verständigen. Zeit- und kostenintensive Prozesse sollte er sich demgegenüber mangels Erfolgsaussichten ersparen.