Ausführung einer zusätzlichen Leistung: Wann ist eine Mehrkostenanmeldung entbehrlich?
(05.11.2021) Ein Anspruch auf zusätzliche Vergütung nach § 2 Abs. 6 VOB/B muss (ausnahmsweise) nicht angekündigt werden, wenn die Ankündigung für den Schutz des Auftraggebers entbehrlich ist. Ein Verlust des Vergütungsanspruchs des Auftragnehmers nach unterbliebener Mehrkostenankündigung ist nicht angezeigt, wenn der Auftraggeber bei der Forderung der Leistung von ihrer Entgeltlichkeit ausging oder ausgehen musste oder wenn ihm nach Lage der Dinge keine Alternative zur sofortigen Ausführung der Leistung durch den Auftragnehmer blieb, so das OLG Hamm, Urteil vom 27.03.2019 - 12 U 66/17 (BGH, Beschluss vom 08.04.2021 - VII ZR 78/19 Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen).
Nicht vereinbarte Leistungen, die zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich werden, hat der Auftragnehmer (AN) auf Verlangen des Auftraggebers (AG) mit auszuführen, außer wenn sein Betrieb auf derartige Leistungen nicht eingerichtet ist (§ 1 Abs. 4 VOB/B). Die Vergütung des AN richtet sich nach § 2 Abs. 6 VOB/B. Nach § 2 Abs. 6 Nr. 1 Satz 2 VOB/B muss er den Anspruch dem AG ankündigen, bevor er mit der Ausführung der Leistung beginnt. Im Fall des OLG Hamm wendete der AG gegenüber einer Forderung des AN nach zusätzlicher Vergütung pauschal ein, dieser habe den Anspruch nicht angekündigt.
Damit dringt der AG nicht durch! Zwar stellt die Ankündigungspflicht des § 2 Abs. 6 Nr. 1 Satz 2 VOB/B eine echte Tatbestandsvoraussetzung dar. Entscheidendes Kriterium ist hier jedoch der Vertrauensschutz des AG, so dass eine Entbehrlichkeit der Ankündigung angenommen werden kann, wenn ein schützenswertes Vertrauen auf eine eventuelle Unentgeltlichkeit der zusätzlichen Leistung nicht vorliegt. Sinn und Zweck der Klausel ist es, den AG zu schützen, weil dieser über drohende Kostenerhöhungen rechtzeitig informiert sein soll, um entsprechend disponieren zu können. Auf der anderen Seite sind die berechtigten Interessen des AN, dass seine gewerblichen Bauleistungen regelmäßig nicht ohne Vergütung zu erwarten sind, zu berücksichtigen und begrenzen den Anwendungsbereich der Ankündigungspflicht vor Ausführung. Ein Verlust des Vergütungsanspruchs des AN nach unterbliebener Mehrkostenankündigung ist demnach nicht angezeigt, wenn und soweit die Ankündigung im konkreten Fall für den Schutz des AG entbehrlich und daher ohne Funktion war. Hiervon ist immer dann auszugehen, wenn der AG bei der Forderung der Leistung von ihrer Entgeltlichkeit ausging oder ausgehen musste, sowie, wenn ihm nach Lage der Dinge keine Alternative zur sofortigen Ausführung der Leistung durch den AN blieb. Der AN trägt hierfür die Darlegungs- und Beweislast. Indes muss der AG zunächst darlegen, dass ihm tatsächlich preiswertere Ausführungsalternativen zur Verfügung standen, die er im konkreten Fall hätte heranziehen können, um so die geforderten Kosten der zusätzlichen Leistung zu unterschreiten. Lediglich abstrakt denkbare Möglichkeiten genügen hierfür nicht (Kues, in: Nicklisch/Weick/Jansen/Seibel, VOB/B, 4. Aufl., § 2 Rz. 314 ff.).
Nach der Rechtsprechung des BGH hält § 2 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B auch dann einer isolierten Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand, wenn die Parteien - wie in der Praxis üblich - die VOB/B nicht "als Ganzes" vereinbart haben. Hat die Versäumung der Ankündigung nur dann einen Anspruchsverlust des AN zur Folge, wenn und soweit die Ankündigung berechtigten Schutzinteressen des AG dient und ihre Versäumung nicht entschuldigt ist, benachteiligt diese Rechtsfolge den AN nicht unangemessen, sondern entspricht vielmehr dem Kooperationscharakter des Bauvertrags (BGH, IBR 1996, 313).