Baugrundgutachten falsch: Welchen Schaden muss der Bodengutachter ersetzen?
(30.04.2016) Das Planen und Bauen im Bestand birgt oftmals ein besonderes Risiko für den Erfolg des Umbaus, insbesondere wenn mit dem Umbau eine Aufsto-ckung verbunden ist. Das Risiko besteht bezüglich der Frage, ob der Umbau des vorhandenen Gebäudes mit den geplanten Maßnahmen überhaupt mög-lich ist oder zusätzliche umfangreiche Maßnahmen erforderlich sind, die er-hebliche Kosten mit sich bringen können.
Der mit dem Umbau eines Bestandsgebäudes beauftragte Architekt hat daher eine intensive Bauwerkserkundigungspflicht; er hat zu prüfen, ob die vorhandenen Bauunterlagen und der Zustand des Gebäudes eine sichere Grundla-ge für das geplante Bauvorhaben sind. Einen Schadensersatzanspruch wegen einer Beratungspflichtverletzung scheidet aus, wenn nicht feststeht, dass der Auftraggeber bei ordnungsgemäßer Beratung durch den Architekten vom ursprünglichen Umbauvorhaben Abstand genommen hätte, so das OLG Köln, Urteil vom 19.08.2013 - 22 U 12/13 (BGH, Beschluss vom 22.10.2015 - VII ZR 225/14: Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen.
Problem/Sachverhalt:
Im Jahr 2010 wird der Architekt (A) mit der Planung und Überwachung des Um-baus, der Aufstockung und der energetischen Sanierung eines Bungalows beauf-tragt. Gegenstand des vereinbarten Leistungsumfangs sind auch die Grundla-genermittlung und die Erstellung einer Bestandsaufnahme. Zu dem Gebäude liegt eine geprüfte statische Berechnung aus dem Jahr 1964 vor. Nach Beginn der Erd- und Abdichtungsarbeiten wird bei der Öffnung der Bodenplatte festge-stellt, dass die Fundamentierung nicht entsprechend der Bestandsstatik ausgeführt wurde. A schlägt dem Bauherrn (B) Ertüchtigungsmaßnahmen mit Kosten von 37.000 Euro netto vor. Daraufhin kündigt B den Vertrag, lässt das Bestandsgebäude zurückbauen und errichtet einen Neubau. Die nutzlos aufgewandten Kosten für die begonnene Umbaumaßnahme in Höhe von rund 100.000 Euro verlangt er von A erstattet.
Entscheidung:
Ohne Erfolg! Sehr differenziert begründet das OLG, dass von einer Pflichtverletzung des A schon in der Grundlagenermittlung auszugehen sei. Zwar habe er ohne besondere Anhaltspunkte davon ausgehen können, dass der Bungalow nach Maßgabe der Bestandsstatik errichtet worden sei. Dies spreche gegen eine Pflicht, gleich zu Beginn des Bauvorhabens kostenträchtige Untersuchungen der Fundamente vorzunehmen. Jedoch hätte A den B über das verbleibende Restrisiko einer abweichenden Bauweise, die Möglichkeiten seiner Aufklärung und die Vor- und Nachteile der hierfür infrage kommenden Zeitpunkte aufklären müssen, um so eine eigenverantwortliche Entscheidung des B über das weitere Vorgehen herbeizuführen (BGH, IBR 2013, 544).
Dennoch hafte A nicht: Da B auf Befragen des Gerichts ausgesagt hat, dass er bei ordnungsgemäßer Beratung trotz der Mehrkosten gegebenenfalls an der Umbaumaßnahme festgehalten hätte, stehe die Kausalität der Pflichtverletzung des A für den geltend gemachten Schaden nicht fest.
Praxishinweis:
Der Bestand ist rechtlich wie der Baugrund zu behandeln. Beides sind "Unbekannte", die nur mit entsprechendem Kosten- und Zeitaufwand, aber niemals vollständig aufgeklärt werden können. Hierüber muss der Architekt den Bauherrn schon in der ersten Leistungsphase aufklären und mit ihm eine Kosten-/Nutzen-Analyse der infrage kommenden Untersuchungen und deren Zeitpunkt durchführen, damit der so aufgeklärte Bauherr eine eigene Risikobewertung und -entscheidung treffen kann. Hier hatte der Architekt Glück, dass der Bauherr vor dem OLG zu ihrem Verhalten bei ordnungsgemäßer Beratung ungeschickt ausgesagt haben- das positive Interesse zu ersetzen (BGH, NJW 1998, 982 f).