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Bauvertrag nach BGB: Kostenvorschuss wegen Mängeln schon vor Abnahme?

Bauvertrag nach BGB: Kostenvorschuss wegen Mängeln schon vor Abnahme?

(01.06.2016) Kostenvorschuss kann schon vor Abnahme der Werkleistung verlangt werden, wenn der Werkunternehmer sich auf den Standpunkt stellt, er habe ein mangelfreies Werk abgeliefert, während der Auftraggeber die Abnahme wegen vorhandener Mängel objektiv zu Recht verweigert, so das OLG Celle, Urteil vom 11.05.2016 - 7 U 164/15 BGB §§ 634, 637, 640

Sachverhalt:

Der Unternehmer U wird zum Pauschalpreis von 84.500 Euro beauftragt, einen Wintergarten zu errichten. Der Bauvertrag spricht die VOB/B nicht an. Nach der Fertigstellung fordert U seinen Auftraggeber (AG) zur Abnahme auf. Der AG verweigert die Abnahme unter Hinweis auf zahlreiche und gravierende Mängel. Mehreren fristgebundenen Aufforderungen des AG, diese Mängel zu beseitigen, kommt U nicht nach. Es kommt zum Prozess. U fordert noch etwa 15.000 Euro Restwerklohn; der AG fordert per Widerklage einen Kostenvorschuss zur Mangelbeseitigung. Ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger stellt zahlreiche Mängel fest. Die Kosten zur Mangelbeseitigung schätzt der Sachverständige auf knapp 25.000 Euro.

Entscheidung:

Der U unterliegt in beiden Instanzen! Der von U geforderte Restwerklohn ist mangels Abnahme noch nicht fällig. Zahl und Umfang dieser Mängel rechtfertigen die Abnahmeverweigerung. Hingegen steht dem AG ein Anspruch auf Kostenvorschuss zur Mangelbeseitigung nach § 637 Abs. 3 BGB zu. Zwar ist seit der Schuldrechtsreform in Literatur und Rechtsprechung umstritten, ob beim BGB-Bauvertrag schon vor der Abnahme Mängelansprüche entstehen können. Der BGH hat dies zuletzt ausdrücklich offengelassen (vgl. BGH, IBR 2016, 275). Das OLG Celle folgt insoweit einer vom OLG Hamm geprägten Argumentationslinie (OLG Hamm, IBR 2015, 189). Danach kann ein Kostenvorschuss zur Mangelbeseitigung vor der Abnahme jedenfalls dann gefordert werden, wenn sich ein Werkunternehmer, der ein in wesentlicher Hinsicht mangelhaftes Werk abgeliefert hat, auf den Standpunkt stellt, er habe mangelfrei geleistet. Andernfalls würde der Auftraggeber zur Abnahme gezwungen, obwohl er objektiv berechtigt ist, die Abnahme zu verweigern. Das hat das OLG Hamm (a.a.O.) pointiert als "sinnwidrig" bezeichnet. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Rechtsfrage hat das OLG Celle in dem hier besprochenen Urteil die Revision zum BGH zugelassen.

Praxishinweis:

Die Entscheidung liegt auf der Linie mehrerer OLG-Urteile zu diesem Problemkreis. Tatsächlich spricht viel dafür, dass dem Auftraggeber beim BGB-Werkvertrag ein Anspruch auf Kostenvorschuss vor der Abnahme jedenfalls dann zusteht, wenn der Werkunternehmer ein mit wesentlichen Mängeln behaftetes und daher nicht abnahmereifes Werk als vertragsmäßig hergestellt abliefert (vgl. § 640 Abs. 1 Satz 1 BGB) und einer fristgebundenen Aufforderung des Auftraggebers zur "Mangelbeseitigung" nicht nachkommt. Man kann trefflich darüber streiten, ob das §§ 633, 634 BGB zu entnehmen ist. Jedenfalls verhält sich ein solcher Auftragnehmer widersprüchlich. Denn wer als Werkunternehmer nicht gewillt ist, das vereinbarte Werk abnahmereif (§ 640 Abs. 1 BGB) herzustellen, kann dem Auftraggeber, der die Abnahmereife ersatzweise selbst herbeiführen möchte, schwerlich entgegenhalten, gesetzliche Mängelansprüche würden eine Abnahme voraussetzen. Die vom OLG Celle zugelassene Klärung durch den BGH wäre für die Praxis sehr zu begrüßen.