Besteht das Risiko eines Gefahreintritts, ist die Leistung mangelhaft!
(02.09.2024) Bereits das Risiko eines Gefahreintritts kann zu einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit und damit zu einem Mangel des Werks führen. Hat der Unternehmer aufgrund separater Werkverträge Kanalanschlüsse für zwei benachbarte Häuser zur gemeinsamen Entwässerung in das öffentliche Kanalnetz herzustellen, so ist er aus jedem Vertrag zur funktionsgerechten Errichtung auch der im Bereich des jeweiligen Nachbargrundstücks befindlichen Grundleitung verpflichtet, so das OLG Stuttgart, Urteil vom 18.09.2023 - 10 U 15/23; BGH, Beschluss vom 24.04.2024 - VII ZR 186/23 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen).
Der Generalunternehmer (GU) errichtete zwei benachbarte Häuser, eines davon für den Auftraggeber S. Die Abwasserleitungen der Häuser laufen in einem Kontrollschacht zusammen und werden dann in einer gemeinsamen Grundleitung zum öffentlichen Kanal geführt. Der GU hatte sich gegenüber S verpflichtet, die Grundleitungen beider Häuser bis zur öffentlichen Kanalisation zu errichten. Drei Monate nach der Abnahme kam es im Haus des S zu einem Rückstau des Abwassers. Auslöser waren Werkzeuge, die in ein nicht mehr festzustellendes Teilstück der Abwasserleitung geraten waren und in der gemeinsamen Grundleitung zu einer Verstopfung geführt hatten.
S steht ein Schadensersatzanspruch zu. Dabei kann es dahinstehen, ob die fahrlässig zurückgelassenen Werkzeuge im Bereich des Hauses des S, des Nachbarhauses oder des gemeinsamen Teilstücks bis zum Kontrollschacht in die Grundleitung gelangt sind. Denn der GU ist zur Herstellung der gesamten Grundleitung bis zum öffentlichen Abwasserkanal verpflichtet. Eine mangelfreie Herstellung der Entwässerung setzt daher auch die jegliche Gefahren für das Haus des S ausschließende Ausführung der Abwasserleitung des Nachbargrundstücks sowie der gemeinsamen Grundleitung voraus.
Zwei Aspekte der Entscheidung sind besonders hervorzuheben. Zunächst einmal stellt das Gericht zutreffend fest, dass ein Mangel bereits dann vorliegt, wenn das Bauwerk nach objektivem Verständnis das nach dem Vertrag auszuschließende Risiko für die Gefährdung von Personen oder Sachgütern birgt. Dies gilt unabhängig davon, ob sich die Gefahr bereits realisiert hat oder nicht. In diesem Sinne stellten die Werkzeuge von Beginn an eine Gefährdung von Sachgütern des S durch eine mögliche Verstopfung dar. Da der Werkvertrag des GU mit S nach den Feststellungen des OLG die Errichtung der gesamten Grundleitung beider Grundstücke umfasste, kam es dabei nicht darauf an, ob die Werkzeuge möglicherweise über die Grundleitung des Nachbarn in das Entwässerungssystem gelangt sind. Soweit das OLG den GU aber gegenüber S wegen der funktionalen Abhängigkeit der beiden Entwässerungssysteme auch dann als verpflichtet ansieht, die Grundleitung des Nachbargrundstücks funktionsgerecht herzustellen, wenn der GU sich insoweit allein dem Nachbarn gegenüber vertraglich verpflichtet hatte, stößt dies auf Bedenken. Denn die Konstruktion kann nur funktionieren, weil der GU hier beide Häuser errichtet; ansonsten müsste er ja gegebenenfalls in die Leistung eines Drittunternehmers eingreifen. Zum anderen bestehen Mängelrechte und Schutzpflichten aber auch nur im Rahmen der vertraglich vereinbarten Herstellungspflicht. Dennoch ist auch insoweit dem Ergebnis zuzustimmen. Denn dem S steht der begehrte Schadensersatzanspruch jedenfalls aus § 823 Abs. 1 BGB zu. Des Weiteren sind die Rechtsgüter des S aber wohl zudem vom Schutzbereich des mit dem Nachbarn abgeschlossenen Vertrags umfasst, was wegen des bestehenden Haftungsrisikos auch in dessen eigenem schutzwürdigen Interesse liegen dürfte.