(28.09.2023) Ein Fußbodenbelag, der sich an mehreren Stellen hebt, so dass eine erhebliche Stolpergefahr besteht, ist nach dem funktionalen Mangelbegriff mangelhaft. Ein Bodenleger muss vor der Ausführung der Arbeiten prüfen, wie der Fußbodenunterbau beschaffen ist. Das gilt nicht nur im VOB/B-, sondern auch im BGB-Bauvertrag. Der Unternehmer ist für den Mangel verantwortlich, wenn er seiner Pflicht zur Anmeldung von Bedenken nicht nachgekommen ist. Ein Bodenleger ist zwar nicht zur Abklärung des Untergrunds zu einer zerstörenden Prüfung durch eine Bohrkernentnahme verpflichtet (Anschluss an OLG Oldenburg, IBR 2020, 579). Er hat sich jedoch vor Ausführung der Arbeiten über die Beschaffenheit des Fußbodenaufbaus zu erkundigen, so das OLG Bamberg, Urteil vom 24.08.2023 - 12 U 58/22.
Ein Bodenleger soll im Erdgeschoss eines zwischen 1970 und 1975 errichteten Gebäudes Vinylboden verlegen. Er trifft auf folgende Bestandssituation: Der Fußbodenbelag der nicht unterkellerten Räume ist Terrazzo-Boden auf einer Tragschicht aus Zement, die unmittelbar auf dem sandigen Untergrund aufsteht, ohne dass Dämmung, Folienquerung oder eine sonstige Feuchtigkeitssperre vorhanden sind. Der Bodenleger prüft die Feuchtigkeit des Terrazzo-Bodens (47 - 52 Digits), fräst den Boden ab, säubert und spachtelt ihn und klebt schließlich den Vinylboden auf. Im Laufe der Zeit hebt sich der Vinylboden, so dass Stolpergefahr besteht. Ursache ist eine Verseifung (Funktionsverlust) des verwendeten Klebstoffs aufgrund ständiger Feuchtigkeitseinwirkung. Der nicht abgedichtete Unterbau zieht Feuchtigkeit nach oben. Die Feuchtigkeit kann durch den PVC-Belag nicht entweichen und sammelt sich im Bereich der Klebstoffschicht. Der Kleber hält einer anhaltenden Feuchtigkeitsbelastung nicht stand. Beim ursprünglichen Bodenbelag konnte die Feuchtigkeit durch die unbehandelte Terrazzoschicht aufsteigen und in der Folge verdunsten und führte so zu keinen Problemen. Der Besteller setzt dem Bodenleger eine Frist zur Mängelbeseitigung. Er beseitigt schließlich den Mangel und verlangt Erstattung der hierfür aufgewendeten Kosten. Mit Erfolg?
Ja! Ein Mangel liegt vor, weil der Bodenbelag seinem Zweck nicht gerecht wird. Der Besteller wollte keine Stolperfallen. Nach dem funktionalen Mangelbegriff schuldet der Unternehmer eine Werkleistung, die dem vom Besteller angestrebten Zweck gerecht wird. Der Bodenleger ist für den Mangel verantwortlich. Der Unternehmer wird von der Mängelhaftung frei, wenn er bei gebotener Prüfung die Fehlerhaftigkeit bzw. Ungeeignetheit einer Leistungsbeschreibung, einer verbindlichen Anordnung des Auftraggebers, vorgeschriebener Stoffe oder Bauteile oder einer Vorleistung nicht erkennen konnte. So liegt es nicht. Der Senat verwirft das Argument, die Problematik der Wasserundurchlässigkeit des Vinylbodens sei nicht erkennbar gewesen. Zwar habe der Bodenleger keinen Bohrkern ziehen müssen, um die Beschaffenheit des Untergrunds aufzuklären. Er hätte jedoch Erkundigungen einholen müssen. Bei einem erdberührten Gebäude müsse erfragt werden, welche Dichtung eingebaut ist. Auch ohne zerstörende Prüfung hätte das Fehlen einer Dichtung erkannt werden können, etwa durch Aufkleben einer Probefolie. Demgegenüber sei die durchgeführte Messung nicht aussagekräftig gewesen, weil sie von Zufälligkeiten (Trocknung durch Luftzug etc.) abhänge und keinen Aufschluss über nachziehende Feuchtigkeit gebe.
Der Unternehmer wird von der Mängelhaftung frei, wenn er Planungsfehler, mangelhafte Vorleistungen etc. nicht erkennen kann, er einen ordnungsgemäßen Bedenkenhinweis erteilt oder feststeht, dass der Besteller einen (hypothetischen) Bedenkenhinweis zurückgewiesen hätte. Es handelt sich um einen Haftungsbefreiungstatbestand. Die Darlegungs- und Beweislast trifft also den Unternehmer.