Dem privaten Auftraggeber muss ein VOB-Text übergeben werden!
(15.07.2017) Die wirksame Einbeziehung der VOB/B auf Initiative des Bauunternehmers setzt voraus, dass der Verbraucher vor oder bei Vertragsschluss Gelegenheit hatte, die VOB/B inhaltlich zur Kenntnis zu nehmen. Hierauf kann verzichtet werden, wenn der Verbraucher seinen Architekten in die Vertragsverhandlungen eingebunden hatte, so das OLG Frankfurt in seinem Urteil vom 03.04.2017 - 29 U 169/16.
Bauverträge nach VOB und BGB folgen - teilweise - unterschiedlichen Regeln. So kann der Auftraggeber (AG) beispielsweise im VOB-Vertrag bereits vor der Abnahme wegen Mängel nach § 4 Abs. 7 i.V.m. § 8 Abs. 3 VOB/B kündigen, während dem Besteller im BGB-Vertrag vor Abnahme grundsätzlich keine Mängelrechte zustehen (BGH, IBR 2017, 186; IBR 2017, 187). Auch genügt im VOB-Vertrag nach § 13 Abs. 5 Nr. 1 Satz 2 VOB/B allein die Anzeige eines Mangels, um die Verjährungsfrist in Bezug auf den gerügten Mangel um zwei Jahre zu verlängern. Ohne Vereinbarung der VOB/B muss der Besteller in einem solchen Fall verjährungsunterbrechende Maßnahmen ergreifen und z. B. Klage einreichen oder ein selbständiges Beweisverfahren einleiten.
In dem vom OLG Frankfurt zu entscheidenden Sachverhalt verlangte ein privater AG von einem Dachdecker Kostenvorschuss i.H.v. über 24.000 Euro wegen behaupteter Mangel- und Mangelfolgeschäden aufgrund der Undichtigkeit einer Dach- und Dachterrassenabdeckung. Das Landgericht sah die VOB/B nicht als vereinbart an und zog die Vorschriften des BGB zur Entscheidung des Rechtsstreits heran.
Ebenso das OLG! Die Parteien haben die Regelungen der VOB/B nicht wirksam in den Vertrag einbezogen, so dass die Vorschriften des BGB für den Umfang der vertraglichen Pflichten zwischen AG und Dachdecker maßgeblich sind. Die wirksame Einbeziehung der VOB/B setzt voraus, dass der Verbraucher vor oder bei Vertragsschluss Gelegenheit hat, die VOB/B inhaltlich zur Kenntnis zu nehmen (vgl. BGH, IBR 1990, 134; Jansen, in: Nicklisch/Weick/Jansen/Seibel, VOB/B, 4. Aufl., Einführung Rz. 14). Dass dies erfolgt ist, ist weder vorgetragen noch lässt sich dies aus den vorgelegten Unterlagen entnehmen. Ebenso wenig ist vorgetragen oder ersichtlich, dass der - fachkundige - Architekt des AG in die Vertragsverhandlungen mit dem Dachdecker eingebunden gewesen ist.
Die Entscheidung entspricht ständiger Rechtsprechung (siehe z. B. OLG Nürnberg, IBR 2015, 649; OLG Koblenz, IBR 2014, 196). Sie ist insbesondere für solche Bauunternehmen von Bedeutung, die die Möglichkeit haben, privaten Auftraggebern Angebote über die Erbringung von Bauarbeiten zu unterbreiten und die in die abzuschließenden Bauverträge die VOB/B einbeziehen wollen. In solchen Fällen reicht der Hinweis auf die VOB/B im Angebot oder in den auf der Rückseite des Angebotsschreibens abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht aus, um die VOB/B zur Vertragsgrundlage zu machen. Gleiches gilt, wenn das Angebot des Bauunternehmers lediglich den Hinweis enthält, die VOB/B liege in seinen Geschäftsräumen aus und könne dort eingesehen werden (OLG Düsseldorf, IBR 1996, 328). Soll auf "Nummer sicher" gegangen werden, muss dem privaten Auftraggeber ein kompletter VOB/B-Text übergeben werden und sich dies im Streitfall auch beweisen lassen. Das Gleiche gilt für die VOB/C. Auch hier genügt der z. B. in § 1 Abs. 1 Satz 2 VOB/B enthaltene Hinweis nicht, um sie in den Vertrag einzubeziehen.