Erhöhte Überwachungspflicht des Architekten bei sämtlichen Bereichen der Bauphysik
(02.09.2016) Hat der Architekt auch die Bauaufsicht übernommen, ist das Bauwerk in angemessener und zumutbarer Weise zu überwachen und auf dessen plangerechte und mängelfreie Ausführung Bedacht zu nehmen. Bei wichtigen oder kritischen Baumaßnahmen, die erfahrungsgemäß ein besonders hohes Mängelrisiko aufweisen, ist der Architekt zu erhöhter Aufmerksamkeit und zu einer intensiv(er)en Wahrnehmung der Bauaufsicht verpflichtet; dies betrifft auch sämtliche Bereiche der Bauphysik, namentlich die Anforderungen an die Isolierung und Wärmedämmung, so das OLG Koblenz, Urteil vom 19.05.2016 - 1 U 204/14 (noch nicht rechtskräftig).
Der klagende Auftraggeber (AG) betreibt ein Alten- und Pflegeheim, das saniert wurde. Der AG nimmt u. a. die im Zuge der Sanierung (Flachdach- und Wandarbeiten) mit der Vollarchitektur beauftragte Architekten-GbR auf Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht hatte Planungs- und Ãœberwachungsfehler der Architekten GbR angenommen und diese zum Schadensersatz verurteilt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Architekten GbR.
Nur mit teilweisem Erfolg! Das OLG hält das Urteil des Landgerichts i.H.v. 195.942 Euro aufrecht. Zu den beanstandeten Mängeln gehören fehlender Holzschutz in den Dachrandbereichen und unzureichendes Gefälle in der Dachmitte. Dafür ist die Architekten GbR wegen Fehlern bei der Bauüberwachung haftbar. Der mit der Vollarchitektur beauftragte Architekt hat für die mangelfreie Erstellung des Bauwerks zu sorgen. Hat der Architekt - wie hier - auch die Bauaufsicht übernommen, ist das Bauwerk in angemessener und zumutbarer Weise zu überwachen und auf dessen plangerechte und mängelfreie Ausführung zu achten (i. B. Übereinstimmung mit der Baugenehmigung, der Leistungsbeschreibung, den Ausführungsplänen und den anerkannten Regeln der Baukunst/Technik; Koordination). Bei wichtigen oder kritischen Baumaßnahmen, die erfahrungsgemäß eine besondere Gefahrenquelle (hohes Mängelrisiko) aufweisen, ist der Architekt zu erhöhter Aufmerksamkeit und zu einer intensiv(er)en Wahrnehmung der Bauaufsicht verpflichtet. dies betrifft auch sämtliche Bereiche der Bauphysik, namentlich die Anforderungen an die Isolierung und Wärmedämmung (KG, IBR 2000, 510; OLG Hamm, IBR 2013, 353; OLG Koblenz, IBR 2015, 264).
Gegebenenfalls sind auch an sich einfache Arbeiten intensiver zu überwachen. So hat der Architekt auch solchen Baumaßnahmen besondere Aufmerksamkeit zu widmen, bei denen sich im Verlauf der Bauausführung Anhaltspunkte für Mängel ergeben. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein Unternehmen bereits an anderer Stelle mangelhaft gearbeitet hat (BGH, IBR 2001, 69), technische Schwächen erkennen lässt (OLG Düsseldorf, IBR 2014, 30) oder Bedenken anmeldet (BGH, IBR 1994, 193).
Eine gesteigerte Überwachungspflicht des Architekten besteht nach Auffassung des OLG Köln auch dann, wenn die Fliesen durch eine ausländische Verlegekolonne verarbeitet werden, da diese für eine gegebenenfalls erforderliche Nachbesserung nicht sofort zur Verfügung steht (OLG Köln, IBR 2010, 158). Der bauaufsichtsführende Architekt hat grundsätzlich selbst und konkret die Beseitigung der jeweils festgestellten Mängel zu überwachen. Dies gilt auch bei Mängeln an handwerklich selbstverständlichen Arbeiten. Auf Fertigstellungsmeldungen der Handwerker darf er sich nicht verlassen (OLG Dresden, IBR 2003, 554).