Es gibt Mängelrechte vor Abnahme im BGB-Vertrag!
(05.08.2022) Gerät der Auftragnehmer mit der Herstellung in Verzug, steht dem Auftraggeber auch vor Abnahme ein Anspruch auf Erstattung der Ersatzvornahmekosten für die Fertigstellung der Leistung zu. Auch Kostenvorschuss kann verlangt werden, sofern ein Abrechnungsverhältnis vorliegt, so das OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.06.2022 - 22 U 192/21.
Bauherr B beauftragt einen Generalunternehmer (GU) durch einen BGB-Werkvertrag mit der Errichtung einer Doppelhaushälfte. Zum vereinbarten Fertigstellungszeitpunkt sind sowohl die Außenanlage als auch die Garage noch nicht fertig gestellt. Außerdem rügt B 38 Mängel und lehnt die Abnahme ab. Der GU bestreitet die Mängel und verlangt die Zahlung seines Restwerklohns i.H.v. 31.000 Euro. B nimmt dies zum Anlass, den Vertrag zu kündigen und mit Ansprüchen auf Schadensersatz und Vorschuss in Höhe der Kosten von 37.000 Euro aufzurechnen.
Der Restwerklohnanspruch des GU ist durch die Aufrechnung des B erloschen. Trotz der fehlenden Abnahme kann B wegen des Verzugs des GU die Kosten der Ersatzvornahme als Schadensersatz gem. § 280 Abs. 1 BGB geltend machen. Auch der begehrte Vorschussanspruch steht ihm zu. Denn die Parteien befinden sich in einem Abrechnungsverhältnis, weil B den Vertrag wegen der Mängel gekündigt und ferner deutlich gemacht hat, keine Leistungen mehr vom GU anzunehmen.
Die in § 4 Abs. 7, § 5 Abs. 4, § 8 Abs. 3 VOB/B geregelte, aber für den BGB-Vertrag seit Langem streitige Frage, ab wann der Auftraggeber (AG) die Mängelansprüche der §§ 634 ff. BGB geltend machen kann, hat der BGH in drei am 19.01.2017 ergangenen Entscheidungen (IBR 2017, 186; IBR 2017, 187, und IBR 2017, 1014 - nur online) dahin beantwortet, dass dies grundsätzlich erst nach der Abnahme möglich ist. So dramatisch dies auf den ersten Blick erscheint, ist es im Ergebnis allerdings nicht. Denn mit den Ansprüchen auf Schadensersatz gem. § 280 Abs. 1, § 281 Abs. 1, § 286 BGB, auf Rücktritt gem. § 323 BGB und auf die außerordentliche Kündigung des Vertrags gem. § 314 BGB hält bereits das allgemeine Schuldrecht Instrumente bereit, die die Interessen des AG hinreichend schützen. Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung gem. § 281 Abs. 1 BGB ist zwar anders als die Mängelrechte nach § 634 Nr. 2, 3 BGB verschuldensabhängig. Die hierfür erforderliche Pflichtverletzung liegt aber auch vor, wenn der Auftragnehmer (AN) die Frist aus § 281 Abs. 1 BGB verstreichen lässt. So ist es hier in Bezug auf die Ersatzvornahmekosten für die Fertigstellung von Garage und Außenanlage. Denn insoweit befand sich der GU durch die Überschreitung der Vertragsfrist mit der Fertigstellung im Verzug. Relevant wird das Problem also eigentlich nur beim Vorschuss gem. § 637 Abs. 3 BGB. Aber auch hier bedarf es dann keiner Abnahme, wenn der AG nicht mehr die Erfüllung des Vertrags verlangen kann und das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist. Dies wird jedoch häufig zu schnell angenommen. So genügt es etwa noch nicht, dass der AN lediglich seine Leistung als abnahmefähig angeboten hat oder die weitere Erfüllung verweigert. Nur wenn der AG in einer solchen Situation seinerseits (berechtigt) den kleinen Schadensersatz oder die Minderung verlangt, kann abgerechnet werden. Auch eine (wirksame) Kündigung des Vertrags durch den AN lässt den Nacherfüllungsanspruch, sofern der AG nicht die Leistung verweigert, nur für die Mängel entfallen, auf die sich die Kündigung bezieht. Verlangt der AG schließlich - wie hier - einen Vorschuss, dann muss er zusätzlich seinen Willen, jede Nacherfüllung durch den AN abzulehnen, hinreichend deutlich zum Ausdruck bringen. Dies war hier offenbar der Fall. Nur bei der (berechtigten) Geltendmachung eines großen Schadensersatzes erlischt der Erfüllungsanspruch gem. § 281 Abs. 4 BGB automatisch. Schließlich reicht es aber auch aus, wenn sich die Parteien darüber einig sind, dass nur noch abgerechnet werden soll, oder wenn eine Nachbesserung - etwa, weil vom AG bereits durchgeführt - rein faktisch nicht (mehr) möglich ist.