Exposé kann Leistungssoll bestimmen!
(01.08.2019) Das Leistungssoll für die Bauverpflichtung eines Bauträgers kann auch durch vertragsbegleitende Umstände bestimmt werden, etwa durch Texte und Visualisierungen in einem Prospekt, mit dem die Wohneinheit auf Veranlassung des Bauträgers beworben wird, so das KG, Urteil vom 11.06.2019 - 21 U 116/18.
Der Bauträger (B) verkauft den Erwerbern (E) Wohnungseigentum an einer Dachgeschosswohnung. Der Kaufpreis beträgt 698.000 Euro. Beworben hat B das Projekt mit einem Exposé, das mehrere Visualisierungen und Pläne enthält. Nach dem Exposé soll eine "elegante Treppe aus Sichtbeton" vom Wohnbereich aus zu einer auf dem Dach gelegenen Terrasse führen. Eine Visualisierung zeigt diese Treppe mit 16 Stufen. Zu einer im Bauträgervertrag erwähnten "Baubeschreibung Dachgeschoss" trägt B im Prozess nicht vor. Tatsächlich ausgeführt hat B die Treppe nicht in Sichtbeton, sondern in Betonimitat, also einer Trockenbaukonstruktion mit Betonoptik. Außerdem verfügt die Treppe nicht über 16, sondern nur über 13 Stufen und ist dementsprechend steiler als auf der Visualisierung. E verweigert die Übernahme der Wohnung und die Zahlung der Bezugsfertigkeitsrate i.H.v. 13,3%. B erklärt daraufhin den Rücktritt. Das Landgericht hält den Rücktritt mangels Bezugsfertigkeit und der fehlenden Fälligkeit der sechsten Rate für unwirksam. B geht in Berufung.
Ohne Erfolg! Die hergestellte Wohneinheit leidet an wesentlichen Mängeln. Ein etwaiger Zahlungsrückstand stellt sich nicht als erheblicher Pflichtverstoß dar. Das Leistungssoll für die Bauverpflichtung wird nicht nur durch die Baubeschreibung, sondern auch durch sonstige vertragsbegleitende Umstände, insbesondere ein eventuelles Prospekt bestimmt. Nicht nur textliche Angaben, sondern auch Visualisierungen können, insbesondere vor Herstellung eine besondere Bedeutung für den Erwerber haben. Wirbt der Bauträger mit Visualisierungen, muss er dafür Sorge tragen, dass das von ihm angestrebte Bauwerk zutreffend wiedergegeben wird. Der Hinweis, die Angaben seien unverbindlich, reicht nicht aus, da der Bauträger sich andernfalls widersprüchlich verhalten kann, wenn er sich nicht an der für ihn positiven Werbung festhalten lassen müsste. Dies gilt zwar nicht für untergeordnete Punkte, jedoch für solche, die für einen Erwerber erkennbar wesentliche Bedeutung haben können. Auch der vertragliche Änderungsvorbehalt greift nicht, da die Änderungen dem Erwerber zumutbar sein müssten. Dies ist nur der Fall, wenn es für die Änderung einen "triftigen Grund" gibt. Selbst wenn die Änderung technisch notwendig ist, ist dies dem Erwerber nur zumutbar, wenn der Bauträger sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht erkennen konnte. Andernfalls hätte er ihn hierauf hinweisen müssen.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist für die Auslegung von Bauträgerverträgen der Empfängerhorizont des Erwerbers entscheidend. Eine vom Bauträger zurechenbar veranlasste Vorstellung des Erwerbers kann nicht einfach durch den in Notarverträgen dennoch weitverbreiteten allgemeinen Hinweis, dass Prospekte und vertragsbegleitende Umstände keine Rolle spielen, "zurückgenommen" werden. Dazu müssen die Umstände vielmehr konkret benannt werden; im Übrigen verstoßen derartige Regelungen auch bei "Altverträgen" sowohl gegen § 307 Abs. 1 Satz 3 BGB als auch gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Die vorgenannte Rechtsprechung des BGH hat ihren Niederschlag in § 650k Abs. 2 BGB gefunden. Für nach dem 01.01.2018 geschlossene Bauträgerverträge gilt danach ausdrücklich, dass sämtliche vertragsbegleitenden Umstände bei der Auslegung des Vertrags zu berücksichtigen sind, sofern die Baubeschreibung unvollständig oder unklar ist. Mithin ist dem Bauträger zu empfehlen, sein Exposé zurückhaltend zu formulieren und Abweichungen vom Vertrag eindeutig und klar zu benennen.