(19.12.2019) Lässt der Auftraggeber Bauwerksmängel nicht beseitigen, scheidet im Verhältnis zum Architekten hinsichtlich der von diesem zu vertretenden Überwachungsfehler, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, ein Zahlungsanspruch in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten betreffend das Bauwerk aus, so der BGH in seinem Urteil vom 21.11.2019.
Der Bauherr beauftragt ein Ingenieurbüro mit Architekten- und insbesondere Überwachungsleistungen zur Errichtung eines Nachbarschaftsladens. Er behauptet, die Boden- und Fliesenarbeiten seien durch das ausführende Unternehmen mangelhaft ausgeführt worden. Das eingebaute Mörtelbett sei nicht brauchbar. Der Bodenaufbau entspreche nicht den Richtlinien für Rüttelbettbeläge. Dies hätte das Ingenieurbüro im Rahmen der von ihm geschuldeten Bauüberwachung feststellen und verhindern müssen. Der Mangel könne nur durch Erneuerung des Fußbodenaufbaus ab Oberkante Bodenplatte beseitigt werden. Insoweit begehrt der Bauherr u. a. Schadensersatz für die - noch nicht durchgeführte - Mängelbeseitigung i.H.v. 346.818,07 Euro nebst Zinsen.
Land- und Oberlandesgericht verurteilen das Ingenieurbüro entsprechend. Der BGH hebt das Berufungsurteil auf und verweist den Rechtsstreit zurück. Die Ermittlung der Höhe des Vermögensschadens des Bauherrn durch das Berufungsgericht beruhe auf der Annahme, er lasse sich nach den erforderlichen, tatsächlich jedoch nicht angefallenen Mängelbeseitigungskosten betreffend den Bodenbelag des Bauwerks bemessen. Diese im Einklang mit der früheren Rechtsprechung des BGH stehende Auffassung treffe nicht zu. Der BGH habe nach Erlass des angefochtenen Urteils unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass im Verhältnis zum Architekten hinsichtlich der von ihm zu vertretenden Planungs- oder Überwachungsfehler, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht hätten, ein Zahlungsanspruch in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten betreffend das Bauwerk ausscheide (IBR 2018, 208). Das Berufungsgericht habe nunmehr dem Bauherrn die Gelegenheit zu geben, den Schaden anderweitig darzulegen und zu beziffern.
Da der Anspruchsgrund rechtskräftig feststeht, kommt es auf die Frage, wie der Architekt das Entstehen eines Mangels überhaupt verhindern soll, nicht mehr an. Der Bauherr kann nunmehr seinen Schadensersatzanspruch mit der Einschränkung weiter verfolgen, dass es sich um einen abrechnungspflichtigen Vorschuss für die Mängelbeseitigung handelt. Dann ist er aber auch zu deren Durchführung verpflichtet, ansonsten kann das Ingenieurbüro den Vorschuss zurückfordern. Der Bauherr kann alternativ im Wege des Schadensersatzes auch die Wertminderungen des Bauwerks (die durchaus auch anhand der Mängelbeseitigungskosten bemessen werden können, soweit sich der Mangel entsprechend verkehrswertmindernd auswirkt) ersetzt oder eine "Quasi-Minderung" der Gegenleistung (also des Überwachungshonorars) verlangen (BGH, IBR 2019, 79). Er ist jedoch nicht berechtigt, den Mangel hinzunehmen und dennoch die Mängelbeseitigungskosten als Schaden zu verlangen (kein "dulde und liquidiere"). Spannend wird es am 17.01.2020. Dann verhandelt der für den Immobilienkauf zuständige V. Zivilsenat des BGH (Az.: V ZR 33/19), ob er sich der eigentlich auf das Werkvertragsrecht beschränkten Rechtsprechungsänderung des VII. Senats anschließt oder es im Kaufrecht bei seiner bisherigen Entscheidungspraxis (vgl. BGH, Urteil vom 15.06.2012 - V ZR 198/11, IBRRS 2012, 2769) belässt. Denn anders als das Werkvertragsrecht kennt das Kaufvertragsrecht keinen Vorschussanspruch als primäres Mangelrecht. Der VII. Senat hat insoweit allerdings beim Architektenvertrag, bei dem ein primärer Vorschussanspruch in Höhe der Kosten der Beseitigung des Bauwerksmangels ebenfalls ausscheidet, das dogmatische Fundament dafür gelegt, diesen Vorschuss aus dem allgemeinen Schadensrecht abzuleiten. Auch eine Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen beim BGH nach § 132 Abs. 2 GVG ist jedoch nicht ausgeschlossen.