Keine Abnahme trotz unterschriebenen Abnahmeprotokolls!
(15.01.2021) Hat der Auftragnehmer seine Leistung abnahmereif erbracht, hat er einen Anspruch auf Abnahme. Abnahmereife liegt vor, wenn die Leistung vollständig und ohne wesentliche Mängel erbracht ist. FĂźr die Frage, ob Abnahmereife vorliegt, kommt es auf die objektive Rechtslage im Zeitpunkt des Abnahmeverlangens oder der Ăbergabe der Leistung an den Auftraggeber an, nicht darauf, welche Mängel zu diesem Zeitpunkt bereits konkret gerĂźgt worden sind. An einer Abnahme kann es auch dann fehlen, wenn der Auftraggeber das Abnahmeprotokoll unterschrieben hat, so das OLG MĂźnchen in seinem Beschluss vom 18.03.2019 - 28 U 3311/18 Bau (BGH, Beschluss vom 20.04.2020 - VII ZR 68/19 - Nichtzulassungsbeschwerde zurĂźckgewiesen).
Der Auftragnehmer (AN) klagt 22.000 Euro Restwerklohn ein und legt ein vom Auftraggeber (AG) unterzeichnetes Abnahmeprotokoll vor. Der AG gibt zu, das Protokoll unterschrieben zu haben. Aufgrund der vor und bei dessen Erstellung erfolgten Handlungen und ĂuĂerungen habe aber inhaltlich keine Abnahme stattgefunden, zumal die Leistung wegen zahlreicher Mängel auch nicht abnahmereif sei. Zwei Wochen vor dem Abnahmetermin habe er die Anzeige der Bezugsfertigkeit ausdrĂźcklich zurĂźckgewiesen und mehrfach wesentliche Mängel gerĂźgt. Zudem ergebe sich auch aus der Vielzahl der im Abnahmeprotokoll als noch zu erledigende Arbeiten festgehaltenen Punkten, dass er das Werk des AN gerade nicht als im Wesentlichen vertragsgemäà anerkannt habe. Mit dem als "Abnahmeprotokoll" Ăźberschriebenen, vom AN gestellten Formular habe er nur eine Feststellung des baulichen Zwischenstands vorgenommen. Das Landgericht folgt der Argumentation des AG und weist die Klage des AN mangels Fälligkeit der Werklohnforderung ab. Der AN geht in Berufung.
Ohne Erfolg! Zwar spricht der äuĂere Anschein des Abnahmeprotokolls fĂźr eine ausdrĂźckliche Abnahme. Zur Feststellung, ob aber tatsächlich eine Abnahme erfolgt ist, ist nicht nur isoliert auf das Abnahmeprotokoll abzustellen, sondern es sind sämtliche Dokumente heranzuziehen, die die Kommunikation zwischen AG und AN vor dem Abnahmetermin betreffen. Der AG hat dabei mehrfach eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass er nicht von einer vertragsgemäĂen Herstellung des Werks des AN ausgeht. DafĂźr sprechen auch die zahlreichen im Abnahmeprotokoll aufgelisteten Mängel. Der AN konnte deshalb nicht davon ausgehen, dass der AG trotz Unterzeichnung eines Abnahmeprotokolls eine Erklärung dahingehend abgeben wollte, das Werk des AN als im Wesentlichen vertragsgerecht zu akzeptieren.
Ein unterschriebenes Abnahmeprotokoll hat zwar die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit fĂźr sich (vgl. BGH, IBR 2002, 574). Diese Vermutung lässt sich jedoch - wie diese Entscheidung des OLG MĂźnchen zeigt - widerlegen. Hierzu kann auf auĂerhalb des Protokolls liegende Mittel der Auslegung, wie etwa die Begleitumstände des Abnahmetermins oder das Verhalten bzw. die ĂuĂerungen des AG während der Objektbegehung, zurĂźckgegriffen werden (BGH, a.a.O.).