Keine Hinweispflicht auf allgemein bekanntes Grundwissen!
(09.08.2017) Die Zumutbarkeit die Grenzen der an den Auftragnehmer zu stellenden Anforderungen an seine Prüfungs- und Hinweispflicht richten sich nach dem Einzelfall mit seinen Besonderheiten. Hinweise sind umso weniger geboten, wie der Auftragnehmer darauf vertrauen darf, dass entsprechendes Wissen auf Seiten des Auftraggebers vorausgesetzt werden kann. Der Auftraggeber, der ein nach allgemeinen Kenntnissen in Fachkreisen bestehendes Risiko durch die gewählte Konstruktion in Kauf nimmt (hier: Anbindung verschiedener Materialien ohne Fugenbildung im Bereich von sonnenbedingter Hitzeeinwirkung) kann nicht erwarten, von den bauausführenden Unternehmern einen Bedenkenhinweis zu erhalten, so das OLG Zweibrücken in seinem Beschluss vom 20.07.2015 - 6 U 7/14 (BGH, Beschluss vom 17.05.2017 - VII ZR 198/15 - Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen).
Eine Fachfirma für Beschichtungsarbeiten sollte im Bereich von Rolltoren, die auf in Beton eingelassenen Stahlschienen liefen, den Beton abfräsen und anschließend eine Beschichtung aufbringen. Mit der Planung und Ausschreibung hatte der Auftraggeber (AG) ein Ingenieurbüro beauftragt. Nach einem halben Jahr hob sich die Beschichtung an und es kam zu einem Abriss im Betongefüge. Die Ursache lag in der höheren Wärmeleitfähigkeit des Stahls gegenüber Beton. Der AG wirft dem Auftragnehmer (AN) vor, seiner Prüf- und Hinweispflicht nicht nachgekommen zu sein und macht Mängelansprüche geltend.
Das Gericht geht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH von einem Mangel aus, denn die Funktionstauglichkeit der Beschichtung ist nicht gegeben. Der AN kann sich aber vom Mangelvorwurf befreien, denn das Gericht sieht keine Hinweispflicht verletzt. Ob eine solche Hinweispflicht besteht, ist davon abhängig, was dem AN zugemutet werden kann, dem vom AN zu erwartenden Fachwissen und sämtlichen bedeutsamen Umständen des Einzelfalls. Hier handelte es sich zwar um eine Fachfirma für Beschichtungswesen. Die Mangelursache lag jedoch darin dass in der Technik allgemein bekanntes Grundwissen über physikalische Eigenschaften von Materialien nicht beachtet wurde; auf Spezialwissen der Beschichtung kam es nicht an. Das Grundwissen konnte auch beim AG und den von ihm eingeschalteten Ingenieuren vorausgesetzt werden. Der AG hatte das konstruktionsbedingte Risiko vorgegeben. Dann konnte der AN nicht mit dem Risiko dieser Fehleinschätzung belastet werden. Der AN durfte darauf vertrauen, dass das allgemein bekannte Phänomen bei der Ausschreibung gesehen wurde und der AG konnte nicht erwarten, diesbezüglich einen Hinweis zu erhalten.
Es ist jetzt 10 Jahre her, seit der VII. Senat des BGH in seiner "Forsthaus"-(auch "Blockheizkraftwerk"-)Entscheidung (Urteil vom 08.11.2007 - VII ZR 183/05, IBRRS 2007, 4973) die Konstruktion des Mangelvorwurfs mit Befreiungsmöglichkeit aus § 13 Abs. 3 VOB/B zum Ausbund von Treu und Glauben erhoben und auf das gesamte Werkvertragsrecht übertragen hat. Der Auftragnehmer trägt bei Störungen die Verantwortung, es sei denn er weist nach, dass er seiner Prüf- und Hinweispflicht nachgekommen ist. Seitdem kreisen Hunderte von Entscheidungen vor allem um die Frage, wieviel Prüf- und Hinweispflicht dem Auftragnehmer denn zumutbar sein soll. Die Rechtsprechung bemüht sich, die enormen Bewertungsspielräume einzugrenzen. Das OLG fügt dem eine weitere Facette hinzu: auf Grundwissen, muss man nicht hinweisen! Es greift auch den Gedanken anderer Oberlandesgerichte auf: Je kompetenter der Auftraggeber, desto geringer die Anforderungen an die Prüf- und Hinweispflicht des Auftragnehmers.