KG kippt Korbion'sche Preisformel!
(10.08.2018) Grundlage des Mehrvergütungsanspruchs aus § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B sind die tatsächlichen Mehr- oder Minderkosten, die dem Unternehmer aufgrund der Leistungsänderung entstehen. Die Preiskalkulation des Unternehmers ist nur ein Hilfsmittel bei der Ermittlung dieser Kostendifferenz. Im Streitfall kommt es nicht auf die Kosten an, die der Unternehmer in seiner Kalkulation angesetzt hat, sondern auf diejenigen, die ihm bei Erfüllung des nicht geänderten Vertrags tatsächlich entstanden wären, so das KG, Urteil vom 10.07.2018 - 21 U 30/17 (nicht rechtskräftig).
Die Berechnung der Vergütungshöhe für die Ausführung geänderter Leistungen erfolgt im VOB-Vertrag nach herrschender Meinung nach dem Grundsatz "guter Preis bleibt guter Preis und schlechter Preis bleibt schlechter Preis" (z. B. OLG Brandenburg, IBR 2016, 70). Ob dies zutreffend ist, wird seit einigen Jahren in Frage gestellt. Denn der neue Preis ist unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren. Der Wortlaut des § 2 Abs. 5 VOB/B spricht somit gegen eine Fortschreibung der Nachtragspreise auf Grundlage der Urkalkulation (Franz, BauR 2012, 380 ff.). In dem vom KG entschiedenen Fall forderte der Auftragnehmer für geänderte Leistungen eine Mehrvergütung i.H.v. knapp 32.000 Euro. Das KG nimmt das zum Anlass, ein neues Konzept der Vergütungsberechnung aufzustellen.
Nach § 2 Abs. 5 VOB/B ist bei "Änderungen des Bauentwurfs" ein "neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehrkosten" zu vereinbaren. Können sich die Parteien nicht einigen, ist die Mehrvergütung nach dieser Maßgabe gerichtlich zu ermitteln. Ausgangspunkt sind dabei somit die Mehrkosten (im Folgenden auch: "Kosten M" oder "M"), die dem Auftragnehmer (AN) durch die Leistungsänderung entstehen. Sie sind zu ermitteln durch einen Vergleich der Kosten, die dem AN bei Ausführung der ursprünglich vereinbarten Leistungen entstanden wären (im Folgenden auch: "Kosten alt", "Kosten A" oder "A"), mit den Kosten, die ihm durch die Leistungsänderung entstehen (im Folgenden auch: "Kosten neu", "Kosten N" oder "N"). Es gilt also: M = N - A. Bei den Kosten N handelt es sich um diejenigen Kosten, die dem AN tatsächlich aufgrund der Leistungsänderung entstanden sind, bei den Kosten A um diejenigen, die dem AN tatsächlich entstanden wären, wenn die Leistung nicht geändert worden wäre. Die Kalkulation der ursprünglich vereinbarten Vergütung durch den AN hat für die Preisermittlung nach § 2 Abs. 5 VOB/B nur die Bedeutung eines Hilfsmittels. Gibt die Kalkulation die tatsächlichen Kosten des AN nicht zutreffend wieder oder besteht hierüber Streit, kommt es für die Ermittlung der Mehrkosten nach der Formel M = N - A nicht auf die kalkulierten, sondern die tatsächlichen Kosten an. Die Kosten N können zumeist sowieso nicht der Kalkulation des Vertragspreises entnommen werden, da sie auf eine nachträgliche Leistungsänderung zurückgehen, die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in der Regel nicht antizipiert werden kann, so dass auch der Kalkulation hierzu regelmäßig nichts entnommen werden kann.
Nach Ansicht von Kniffka sind die Regelungen in § 2 Abs. 5, 6 VOB/B intransparent und keine sichere Grundlage für Nachträge (BauR 2012, 411 ff.). Wohl auch deshalb werden Ausführungen des BGH in seiner Entscheidung vom 14.03.2013 (IBR 2013, 261), wonach die Berechnung des neuen Preises dann im Wege einer Fortschreibung der dem Vertrag zu Grunde liegenden Kalkulation des Auftragnehmers (und nicht anhand tatsächlicher oder üblicher Kosten) zu erfolgen hat, wenn Parteien übereinstimmend davon ausgehen, bisweilen als Abgesang auf die vorkalkulatorische Preisfortschreibung verstanden. Sollte § 2 Abs. 5 VOB/B AGB-rechtlich nicht mehr "halten", würde sich die Höhe des Vergütungsanspruchs nach § 650c Abs. 1, 2 BGB (tatsächlich erforderliche Kosten mit angemessenen Zuschlägen für Allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn) richten.