Kündigung "vorab per Fax" ist nur Vorab-Information!
(02.04.2024) Eine "vorab per Fax" erklärte Kündigung kann lediglich als Vorab-Information angesehen werden und der Annahme einer Kündigungserklärung entgegenstehen. Eine formell ordnungsgemäße Kündigung wirkt nicht auf den Zeitpunkt einer vorher wirksam zurückgewiesenen Kündigung zurück. Die Vorschrift des § 174 BGB ist auch auf die Vertretung von Körperschaften des öffentlichen Rechts anwendbar, soweit nicht deren durch Gesetz oder Rechtsverordnung bestimmte Vertreter handeln, so das OLG Koblenz mit Urteil vom 03.12.2021 - 3 U 2206/19; BGH, Beschluss vom 13.03.2024 - VII ZR 896/21.
Der Auftraggeber (AG) beauftragt eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE) mit der Entsorgung von Baggergut aus einer Ausbaggerung. Nach Vertragsschluss kommt es zum Streit darüber, auf welcher Deponie der Baggerschlamm entsorgt werden soll. Der AG kündigt den Vertrag mit Telefax vom 01.03.2011 ("vorab per Fax [...] Per Einschreiben mit Rückschein"), unterzeichnet vom stellvertretenden Amtsleiter. Die ARGE weist die Kündigung nach § 174 BGB zurück und droht ihrerseits eine Kündigung wegen unterlassener Mitwirkung des AG an. Am 09.03.2011 kündigt die ARGE den Vertrag nach § 9 Nr. 2 VOL/B. Erst am 14.03.2011 geht der ARGE das Original der Kündigung vom 01.03.2011 nebst Vollmachtsurkunde per Einschreiben zu.
Die Kündigung des AG vom 01.03.2011 ist unwirksam! Es ist bereits fraglich, ob die nur "vorab per Fax" erklärte Kündigung den Zugang der Erklärung herstellen sollte oder ob diese lediglich der Vorab-Information diente, wofür der Wortlaut spricht. Aber selbst wenn man von einem Zugang ausgeht, hat jedenfalls die unverzügliche Zurückweisung durch die ARGE nach § 174 Satz 1 BGB zur Unwirksamkeit der Kündigungserklärung geführt. Denn der stellvertretende Amtsleiter war nicht zur Vertretung des AG berufen, sondern "nur" unterbevollmächtigt, weshalb dem Telefax die Vollmachtsurkunde beizulegen gewesen wäre. Allerdings wäre deren Übersendung per Telefax schon nicht formwirksam gewesen (BGH, IBR 2018, 104). Die Untervollmacht des stellvertretenden Amtsleiters war der ARGE auch nicht positiv bekannt. Durch den Zugang der Original-Vollmachtsurkunde am 14.03.2011 wird die Unwirksamkeit der Kündigung vom 01.03.2011 nicht geheilt. Schafft der Kündigende es nicht, innerhalb der üblichen Postlaufzeit von drei Werktagen für einen Zugang des Originals zu sorgen, kann er sich nicht auf den früheren Faxeingang berufen. Die Zurückweisung ist auch nicht nach § 242 BGB ausgeschlossen, wenn auf dem Telefax vermerkt ist, dass ein Original folgt. Zur Vertragsbeendigung hat die Kündigung der ARGE vom 09.03.2011 geführt.
§ 174 BGB liegt zu Grunde, dass bei einem einseitigen Rechtsgeschäft eine Vertretung ohne Vertretungsmacht unzulässig ist (§ 180 Abs. 1 Satz 1 BGB) und es daher im dringenden Interesse des Erklärungsempfängers liegt zu wissen, ob der als Vertreter Auftretende bevollmächtigt ist (BGH, Urteil vom 30.03.2022 - VIII ZR 283/21, Rz. 61, IBRRS 2022, 1721). Gerade bei Behörden können die Vertretungsverhältnisse undurchsichtig sein (OLG München, IBR 2021, 613). Die Vorschrift ist analog auf geschäftsähnliche Handlungen anwendbar, etwa eine verzugsbegründende Mahnung (BGH, IBR 2011, 210). Eine Zurückweisung nach mehr als einer Woche ist regelmäßig nicht mehr unverzüglich (BAG, NJW 2012, 2539). Die Zurückweisung kann nach § 242 BGB ausgeschlossen sein, wenn der Geschäftsgegner wiederholt mit dem Vertreter Kontakt hatte und sein Vertreterhandeln ohne Vorlage einer Vollmachtsurkunde anerkannt hat (OLG Celle, IBR 2022, 287).