Was im Vertrag steht, das wurde auch vereinbart!
(28.08.2020) Für die über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunden spricht die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit. Beruft sich eine Vertragspartei darauf, dass entgegen dieser Vermutung im Vertrag nicht alle zwischen den Parteien getroffenen Abreden beurkundet seien, und behauptet damit eine Formunwirksamkeit des Vertrags, ist sie dafür darlegungs- und beweisbelastet. Behauptet der Bauträger, er hätte sich mit dem Erwerber vor Vertragsschluss auf den Entfall einer Leistung verständigt, hat er darzulegen und zu beweisen, wann, unter welchen Umständen, zwischen welchen Personen und vor allen Dingen mit welchem konkreten Inhalt eine diesbezügliche Einigung getroffen worden sein soll, so dasOLG Koblenz in seinem Beschluss vom 12.06.2019 - 2 U 1212/18 (BGH, Beschluss vom 26.02.2020 - VII ZR 138/19: Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen).
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Bauträgervertrags. Teil der Planung für das zu errichtende Gebäude war ein zweites Treppenhaus. Die Parteien hatten über dessen Entfall verhandelt. Der mit Auflassung notariell beurkundete Bauträgervertrag verhielt sich dazu aber nicht: Weder wurde darin ein Entfall des Treppenhauses vereinbart noch eine damit verknüpfte Anpassung der Vergütung. Auch später haben die Parteien keine schriftliche Vereinbarung zu der Frage getroffen. Der Bauträger errichtet das Gebäude ohne das Treppenhaus und nimmt dazu umfassende Umbauten vor. Für den Mehraufwand verlangt er eine zusätzliche Vergütung; die Umbauten seien selbstverständlich nicht kostenneutral. Der Käufer lehnt das ab und verweist auf eine nach Vertragsschluss getroffene Einigung über einen kostenneutralen Entfall der Treppe. Der Bauträger argumentiert nun, der Entfall der Treppe sei schon vor der Beurkundung vereinbart, aber versehentlich nicht protokolliert worden. Daher sei der Vertrag nicht formgerecht geschlossen worden und unwirksam.
Ohne Erfolg! Das OLG geht davon aus, dass die vom Bauträger behauptete vorvertragliche Einigung zwischen den Parteien schon der Sache nach nicht bestand, jedenfalls aber nicht nachgewiesen werden konnte. Auch nach dem Berufungsvorbringen sei schon unklar, ob die Parteien bereits vor dem Notartermin eine übereinstimmende Änderung des ursprünglich angedachten Vertrags getroffen hätten oder ob der Entfall des Treppenhauses lediglich im Gespräch gewesen sei. Der hier erforderliche Vortrag, unter welchen Umständen, zwischen welchen Personen und mit welchem konkreten Inhalt eine diesbezügliche Einigung getroffen worden sein soll, sei nicht erfolgt und erst recht nicht nachgewiesen. Deshalb sei nicht von einer zwischen Angebot und Annahme verbindlich vereinbarten Änderung auszugehen.
Die Entscheidung steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung zu Formvorgaben für Grundstückskaufverträge. Insoweit gilt, dass sich das Formgebot der notariellen Beurkundung von Grundstückskauf- und Bauträgerverträgen auf alle vertraglichen Abreden der Parteien bezieht. Korrespondierend damit besteht zugleich eine Vermutung für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Urkunde. Wird ein Vertrag nicht vollständig beurkundet, ist er formunwirksam. Spätere Änderungen von Grundstückskaufverträgen müssen ebenfalls beurkundet werden, wenn die Auflassung noch nicht zu notarieller Urkunde erklärt worden ist. Nach einer bindend erklärten Auflassung sind allerdings Änderungen nach der ständigen BGH-Rechtsprechung nicht mehr formbedürftig (IMR 2018, 475). Ungeachtet dessen empfiehlt sich auch in diesen Fällen - schon zu Beweis- und Dokumentationszwecken - für Änderungen eine mindestens schriftliche Vereinbarung.