Mangel wird nicht beseitigt: Wie bemisst sich der Schaden des Bauherrn?
(15.11.2018) 1. Behält der Besteller das Werk und lässt den Mangel nicht beseitigen, kann der Schaden ausgehend von der für das Werk vereinbarten Vergütung anhand der Vergütungsanteile bemessen werden, die auf die mangelhafte Leistung entfallen (im Anschluss an BGH, IBR 2018, 196). 2. Ergeben sich die Vergütungsanteile, die auf die mangelhafte Leistung entfallen, nicht aus dem Bauvertrag, sind sie gem. § 287 ZPO zu schätzen. 3. Bei der Schadensschätzung ist das dem Besteller verbleibende Material, soweit diesem noch ein wirtschaftlicher Wert zukommt, zu berücksichtigen, so das OLG Frankfurt, Urteil vom 31.08.2018 - 13 U 191/16.
Der Unternehmer (U) führt für den Bauherrn (B) Bodenbelagsarbeiten aus. Das Werk misslingt. Ein Sachverständiger stellt fest, dass der Fußboden wegen mehrerer Mängel umfassend erneuert werden muss. Der dazu erforderliche Betrag wird B in erster Instanz als Schadensersatz zugesprochen, obwohl B die Mängel nicht beseitigen lassen will. U legt Berufung ein. Er macht geltend, dass nach neuer Rechtsprechung des BGH der werkvertragliche Schadensersatzanspruch nicht mehr nach den Mängelbeseitigungskosten berechnet werden darf, wenn der Besteller die Mängel nicht beseitigen lassen will.
Mit Erfolg! Das OLG Frankfurt setzt das Grundsatzurteil des BGH vom 22.02.2018 (BGH, IBR 2018, 196) konsequent um. Danach kann der Besteller, der einen Mangel nicht beseitigen lässt, Schadensersatz nicht in Höhe fiktiver Mängelbeseitigungskosten fordern (vgl. BGH, a.a.O.). Der Besteller hat vielmehr nur folgende Möglichkeiten: Er kann im Wege einer (meist unpraktikablen) Gesamtvermögensbilanz die Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der durch den Unternehmer mangelfrei geschaffenen oder bearbeiteten Sache und dem tatsächlichen Wert der mangelhaft geschaffenen oder bearbeiteten Sache fordern (vgl. BGH, a.a.O. Rz. 26 bis 29). Alternativ kann der Besteller den Schaden ähnlich wie eine Minderung berechnen (BGH, a.a.O. Rz. 38 bis 43). In diesem Fall wird der Schaden angelehnt an §§ 634 Nr. 3, 638 BGB anhand der vereinbarten Vergütung als mangelbedingter Minderwert nach § 287 ZPO geschätzt. Nach BGH (a.a.O. Rz. 42) kann dabei an die Vergütungsanteile angeknüpft werden, die auf die mangelhafte Leistung entfallen. Ergeben sich die Vergütungsanteile nicht aus dem Vertrag, sind sie nach BGH zu schätzen. In Anwendung dieser Grundsätze kürzt das OLG den B in erster Instanz zugesprochenen Schadensbetrag von knapp 21.000 Euro auf 13.000 Euro. Dieser Schätzung legt das OLG die für die misslungenen Werkleistungen vereinbarten Einzelbeträge zu Grunde.
Das OLG setzt die neue Rechtsprechung des BGH zur Schadensberechnung im Werkvertragsrecht konsequent und überzeugend um. Wer Anwendungsbeispiele für die neue BGH-Rechtsprechung sucht, dem sei der Volltext der Entscheidung empfohlen. Der dritte Leitsatz ist den Entscheidungsgründen entnommen. U hatte sich damit verteidigt, das von ihm (mangelhaft) verarbeitete Material sei für sich genommen mangelfrei. Daher sei im Rahmen der Schadensberechnung nur der Lohnanteil der vereinbarten Vergütung zu kürzen. Das lässt das OLG - meines Erachtens völlig zutreffend - nicht gelten. Maßstab für die Schadensberechnung ist nach BGH die misslungene Werkleistung insgesamt. Es gibt keinen Grund, bei der Schadensschätzung den Materialanteil von vorneherein auszuklammern. Richtiger Ausgangspunkt der Schadensschätzung ist vielmehr die vertraglich vereinbarte Vergütung insgesamt.