Mehrvergütung auch ohne schriftlichen Auftrag!
(10.08.2021) Verlangt der Auftraggeber die Anbringung einer stärkeren als der vertraglich vereinbarten Außendämmung und muss der Auftragnehmer deshalb zwangsläufig breitere Profile und Wetterbleche verarbeiten, steht dem Auftragnehmer hierfür ein Anspruch auf Mehrvergütung zu. Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers, wonach dem Auftragnehmer für die Ausführung von Änderungs- und Zusatzleistungen kein Anspruch auf Mehrvergütung zusteht, wenn sie nicht auf schriftlichen Nachtragsaufträgen beruhen, benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen und ist unwirksam, so das OLG München mit Urteil vom 21.07.2021 - 20 U 5268/20.
Der mit der Ausführung von Metallbauarbeiten beauftragte Auftragnehmer (AN) verlangt vom Auftraggeber (AG) Mehrvergütung für die Verarbeitung von breiteren Profilen und Wetterblechen i.H.v. 5.200 Euro, weil der AG die Anbringung einer stärkeren als im Vertrag vorgesehenen Außendämmung angeordnet hat. Der AG wendet ein, dass er zwar eine stärkere Außendämmung gewollt, aber keine breiteren Profile und Wetterbleche "bestellt" habe. Außerdem sei in dem von ihm gestellten Standard-Bauvertrag unter Ziff. 10 vorgesehen, dass Nachforderungen nur bezahlt werden, wenn sie auf schriftlichen Zusatz- und Nachtragsaufträgen beruhen. Der AN erhebt Klage.
Mit Erfolg! Dem AN steht ein Anspruch auf Zahlung der abgerechneten Mehrungen für Profilverbreiterungen bzw. Wetterblechausladung i.H.v. insgesamt 5.200 Euro aus § 2 Abs. 5 bzw. Abs. 8 Nr. 2 Satz 2 VOB/B zu. Der AG hat nicht bestritten, dass er am Objekt eine stärkere Außendämmung hatte anbringen lassen als ursprünglich vorgesehen, weshalb vom AN zwangsläufig breitere Profile und Wetterbleche verarbeitet werden mussten als beauftragt. Diese Leistungen waren mithin zur Erreichung des Werkerfolgs notwendig, der AG hatte angesichts der Einbringung einer stärkeren Dämmung ersichtlich auch Kenntnis davon, dass der AN breitere Profile und Wetterbleche verarbeitete. Gegen die geltend gemachte Höhe des Preises hat er nichts eingewendet. Sollte die Bestimmung in Ziff. 10 des Bauvertrags so zu verstehen sein, dass eine schriftliche Beauftragung Voraussetzung für eine Vergütung sein soll, ist diese Klausel jedenfalls nach § 307 BGB unwirksam (vgl. Keldungs, in: Ingenstau/Korbion, VOB, 21. Aufl., B § 2 Abs. 5 Rz. 2).
Die Entscheidung gibt gleich Anlass zu mehreren Hinweisen:
1. Wird eine Leistungsänderung angeordnet oder die Ausführung einer zusätzlichen Leistung verlangt, sind bei der Vereinbarung des neuen Preises sämtliche Mehr- oder Minderkosten zu berücksichtigen, die adäquat-kausal durch die Anordnung des AG verursacht werden (Vygen/Joussen, Bauvertragsrecht nach VOB und BGB, 5. Aufl., Rz. 2276). Das gilt unabhängig davon, ob die Preisbildung anhand einer vorkalkulatorischen Preisfortschreibung oder nach den tatsächlich erforderlichen Kosten erfolgt.
2. In der Leistungsbeschreibung nicht genannte, aber technisch notwendige, d. h. für die Herstellung eines funktionstauglichen (Bau-)Werks zwingend erforderliche Leistungen sind grundsätzlich auch dann (nach § 2 Abs. 8 VOB/B bzw. §§ 677 ff. BGB) zusätzlich zu vergüten, wenn der AG ihre Ausführung nicht angeordnet hat, sie vom AN also "ohne Auftrag" erbracht wurden. Das ist nach überwiegender Auffassung nicht anders zu beurteilen, wenn der AN dies nicht (rechtzeitig) angezeigt hat (s. OLG Jena, IBR 2021, 61; a. A. OLG Celle, IBR 2018, 377; Bolz, in: Bolz/Jurgeleit, ibr-online-Kommentar VOB/B, 23.06.2021, § 2 Rz. 207 ff.).
3. Dass die im (nicht amtlichen) Leitsatz 2 wiedergegebene Klausel AGB-rechtlich unwirksam ist, hat der BGH bereits mehrfach entschieden (IBR 2005, 1; IBR 2004, 125).