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Nachtragsforderungen werden ignoriert: Auftragnehmer darf Arbeiten einstellen!

Nachtragsforderungen werden ignoriert: Auftragnehmer darf Arbeiten einstellen!

(15.10.2018) Grundlage eines Leistungsverweigerungsrechts des Auftragnehmers aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) kann auch sein, dass sich der Auftraggeber hinsichtlich eingereichter Nachtragsangebote - unter Verstoß gegen seine Kooperationspflichten - völlig passiv verhält, denn dem Auftragnehmer kann nicht zugemutet werden, Anordnungen des Auftraggebers gem. § 1 Abs. 3 bzw. 4 Satz 1 VOB/B befolgen zu müssen, ohne auf der anderen Seite Klarheit über die ihm dafür zustehende Vergütung zu erhalten, so das OLG Düsseldorf in dessen Urteil vom 02.03.2018 - 22 U 71/17.

Der Auftraggeber (AG) beauftragt den Auftragnehmer (AN) mit der Ausführung von Dachdecker- und Abdichtungsarbeiten. Als Vergütung wird ein Pauschalpreis von 280.000 Euro vereinbart. In der Bauphase stellt sich heraus, dass zusätzliche Leistungen ausgeführt werden müssen. Der AN führt diese Leistungen auf mündliche Anordnung des AG hin aus, stellt verschiedene Nachtragsangebote und stellt seine Nachtragsforderungen schließlich in eine Abschlagsrechnung ein. Der AG kürzt die Abschlagsrechnung um rund 30.000 Euro mit der Begründung, die Nachträge seien noch nicht beauftragt bzw. würden sich noch in der Prüfung befinden. Später verweist er nur noch auf den vertraglichen Zahlungsplan, ohne sich mit den Nachträgen des AN zu beschäftigen. Als der AN daraufhin seine Leistungen einstellt, kündigt der AG den Bauvertrag und lässt die Arbeiten von einem Drittunternehmer fertig stellen. Er verlangt vom AN Erstattung von 30.000 Euro Überzahlung sowie Ersatz der Mehraufwendungen i.H.v. 180.000 Euro. Der AN macht demgegenüber seinen Restwerklohnanspruch von 105.000 Euro geltend. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt u. a. von der Frage ab, ob der AN seine Leistung einstellen durfte und die Kündigung des AG deshalb nicht als Kündigung aus wichtigem Grund, sondern als freie Kündigung anzusehen ist. Entscheidung

Das muss das Landgericht nochmal prüfen. In seiner "Segelanweisung" führt das OLG aus: Der AG darf sich hinsichtlich eingereichter Nachtragsangebote - insoweit auch im Rahmen seiner Kooperationspflichten (vgl. BGH, IBR 2000, 110) - nicht völlig passiv verhalten. Denn dem AN kann nicht zugemutet werden, Anordnungen des AG gem. § 1 Abs. 3 bzw. 4 Satz 1 VOB/B befolgen zu müssen, ohne Klarheit über die ihm dafür zustehende Vergütung zu erhalten, zumal insbesondere die Leistungserweiterung, die den zusätzlichen Vergütungsanspruch auslöst, allein im wohlverstandenen Interesse des AG liegt (vgl. OLG Celle, IBR 1999, 203). Daher ist im Zweifel von einem Leistungsverweigerungsrecht auszugehen, wenn der AG den Abschluss einer (berechtigten) Nachtragsvereinbarung zu einer von ihm angeordneten Zusatzleistung endgültig verweigert (vgl. BGH, IBR 2004, 486). Aber auch für den Fall, dass sich der AG über längere Zeit passiv verhält, erscheint die Annahme einer weiteren Vorleistungspflicht des AN ohne eine hinreichende Reaktion des AG jedenfalls dann wegen Unzumutbarkeit als ausgeschlossen bzw. ist - andersherum - ausnahmsweise ein Leistungsverweigerungsrecht des AN anzunehmen, wenn die Höhe der streitigen Nachträge im Verhältnis zur Gesamtvergütung einen erheblichen prozentualen Anteil ausmacht (vgl. OLG Brandenburg, IBR 2009, 567; OLG Zweibrücken, IBR 1995, 49). 

Der Auftragnehmer kann unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B (vertragsgemäße Leistungserbringung und prüfbare Abrechnung) auch dann Abschlagszahlungen für vom Auftraggeber (nur "dem Grunde nach") angeordnete geänderte oder zusätzliche Leistungen verlangen, wenn eine Einigung über die Höhe der dafür zu zahlenden Vergütung (noch) nicht stattgefunden hat (BGH, IBR 2012, 441).