Nachtragsvergütung wird mit mindestens 5% bezuschlagt!
(21.08.2018) Auch wenn die Vergütung des Unternehmers zur Deckung seiner Kosten nicht auskömmlich ist, beläuft sich sein Mehrvergütungsanspruch aus § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B stets zumindest auf seine änderungsbedingten Mehrkosten zuzüglich eines angemessenen Zuschlags zur Deckung seiner Allgemeinen Geschäftskosten und seines Gewinns. Dieser angemessene Zuschlagsfaktor beträgt analog § 649 Satz 3 und § 648a Abs. 5 Satz 3 BGB a.F. mindestens 100/95 = 20/19 = 1,0526, so das KG, Urteil vom 10.07.2018 - 21 U 30/17 (nicht rechtskräftig).
Im BGB-Bauvertrag richtet sich die Höhe der Mehrvergütung für geänderte Leistungen gem. § 650c Abs. 1 BGB nach den tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen für Allgemeine Geschäftskosten (AGK), Wagnis und Gewinn. Im VOB-Vertrag gilt bei Nachträgen (noch) der Grundsatz, dass sich die Nachtragsvergütung nach den kalkulierten Kosten richtet. Das sieht das KG entgegen der ganz herrschenden Meinung anders: Grundlage der Mehrvergütung aus § 2 Abs. 5, 6 VOB/B sind nach Ansicht des Gerichts die tatsächlichen Mehr- oder Minderkosten, die dem Auftragnehmer (AN) aufgrund der Leistungsänderung entstehen (s. Parallelbeitrag, IBR 2018, 490 - in diesem Heft). Das wirft die Frage auf, ob und in welcher Höhe diese Kosten mit AGK, Wagnis und Gewinn bezuschlagt werden.
Nach Auffassung des KG erschöpft sich der Mehrvergütungsanspruch nach § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B auch bei einer nicht auskömmlichen vereinbarten Vergütung nicht in der Mehrkostenerstattung. Vielmehr muss dem AN auch dann ein angemessener Zuschlag auf diese Mehrkosten zustehen. Denn ist der AN gem. § 1 Abs. 3 VOB/B verpflichtet, eine einseitige Leistungsänderung des Auftraggebers auszuführen, besteht kein Anlass, ihm nur eine Vergütung zuzubilligen, die ihm nicht einmal einen Zuschlag zur Deckung seiner AGK und seines Gewinns gewährt. Die VOB/B beantwortet nicht die Frage, welcher Zuschlagsfaktor angemessen ist, auf den der AN bei einer nicht auskömmlichen Vergütung "zurückfällt". Allerdings kann aus § 649 Satz 3 BGB a.F. und § 648a Abs. 5 Satz 3 BGB a.F. entnommen werden, dass das Gesetz jedenfalls einen Zuschlagsfaktor von 20/19 als angemessen ansieht. Nach diesen Vorschriften beläuft sich die Vergütung des AN für seine kündigungsbedingt nicht erbrachten Leistungen auf den Vergütungsteil, der insgesamt auf diese nicht erbrachten Leistungen entfällt, abzüglich der durch die Kündigung ersparten Aufwendungen, im Zweifel aber zumindest auf 5% des ungeminderten Vergütungsteils. Da der AN durch die Kündigung eines Bauvertrags AGK oder Gewinn nicht einsparen kann, da es sich hierbei nicht um direkte Kosten handelt, beschreibt der Anteil von 5% folglich die vom Gesetz vermutete Mindesthöhe des hierfür im Preis enthaltenen Deckungsbeitrags oder Zuschlags. Ein Zuschlag von fünf auf einem (prinzipiell einsparfähigen) Block direkter Kosten von 95 bedeutet einen Zuschlagsfaktor von 100/95 = 20/19 = 1,0526. In diesem Betrag liegt der als angemessen anzusehende Mindestzuschlag, der im Zweifel auch im Rahmen von § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B anzuwenden ist.
Die Zuschläge für AGK, Wagnis und Gewinn liegen in der Praxis deutlich über 5%. Sofern eine Urkalkulation vereinbarungsgemäß hinterlegt wurde, kann der Auftragnehmer gem. § 650c Abs. 2 Satz 1 BGB zur Berechnung der Nachtragshöhe auf die darin enthaltenen Ansätze zurückgreifen. Es wird vermutet, dass die kalkulierten Zuschläge angemessen sind (§ 650c Abs. 2 Satz 2 BGB). Das gilt, wenn man der Auffassung des KG folgt, auch im VOB-Vertrag. Diese Vermutung ist aber widerlegbar. Es empfiehlt sich deshalb, bereits im Bauvertrag eine Regelung zur Höhe der Zuschläge zu treffen, sofern hierzu die Möglichkeit besteht.