Neubauten werden immer teurer.
(26.09.2018) Das liegt nicht nur an den allgemeinen Material- und Arbeitskosten. Auch immer neue Vorschriften treiben die Preise. Ein Blick in die Niederlande ist da lehrreich.
Wer in Deutschland eine Wohnung baut, muss dafür immer tiefer in die Tasche greifen. Im Jahr 2007 zahlten Bauherren noch etwa 1250 Euro je Quadratmeter, ohne Grundstück – zehn Jahre später waren es schon rund 36 Prozent mehr, etwa 1700 Euro je Quadratmeter. Die Preissteigerung hat viele Gründe: Material wird immer teurer, die Löhne für qualifizierte Arbeitskräfte steigen. Vor allem aber steigen die Anforderungen an Neubauwohnungen: Europäische, internationale und deutsche Vorgaben treiben die Preise.
Derzeit gibt es rund 3300 Normen, die Bauherren in Deutschland beachten müssen, dazu kommen noch Auflagen der Landesbauordnungen und der Kommunen. In den vergangenen Jahren sind immer wieder neue Normen dazugekommen, beispielsweise um die Klimaschutzziele der Bundesregierung zu erreichen, den Brandschutz zu verbessern oder Neubauwohnungen besser gegen Lärm zu isolieren. Das treibt die Baukosten weiter.
Nach Berechnungen der Arbeitsgemeinschaft für Zeitgemäßes Bauen e. V. (ARGE e.V.) haben allein die energetischen Anforderungen wie die verschiedenen Stufen der Energieeinsparverordnung (EnEV 2002/2009/2014 ab 2016) beziehungsweise des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetztes (EEWärmeG 2009) zwischen 2000 und 2017 zu einer Steigerung der Baukosten für Wohngebäude von 19 Prozent geführt (siehe ARGE 2015 und aktualisierte Daten für die Jahre 2016-2017). Für den Bau einer Mietwohnung mit einem durchschnittlichen Quadratmeterpreis von 1240 Euro in 2000 und einer Größe von 100 Quadratmetern entspricht dies einer absoluten Preissteigerung von knapp 24.000 Euro.
Neben der reinen Preissteigerung aufgrund der gestiegenen Komplexität der Bauweise verhindern die zeitlich eng aufeinanderfolgenden Neuerungen auch, dass Bauunternehmen von Skaleneffekten profitieren können. Lerneffekte und Größenvorteile, die allgemein zu KostenÂeinsparungen fĂĽhren, bleiben dadurch im Wohnungsbau weitgehend aus. Der Preisanstieg ist in den Niederlanden deutlich geringer.
Dass es auch anders geht, beweisen die Niederlande schon seit Jahren. Bei unseren Nachbarn ist der Bau von Wohnungen in den vergangenen Jahren zwar auch teurer geworden, allerdings längst nicht so wie hierzulande. In den Niederlanden sind die Baukosten für Neubauwohnungen in den vergangenen zehn Jahren nur um rund sechs Prozent gestiegen.
Hintergrund: Die Niederländer haben schon vor Jahren ihre Bauordnung reformiert. Sie stützt sich inzwischen hauptsächlich auf Ziele. Konkret bedeutet das: Es bleibt den Bauherren überlassen, wie sie Energie einsparen oder Wohnungen gegen Schall schützen, solange sie nur die vorgegebenen Richtwerte erreichen. Das weckt das Innovationspotential der Baufirmen. So gibt es schon jetzt neue energiesparende Konzepte in der Fertigbauweise, die in Deutschland bisher aber kaum zum Einsatz kommen.
Um die deutsche Normenlandschaft zu entschlacken, müssten die Länder ihre jeweiligen Landesbauordnungen überarbeiten und veraltete oder unnötige Verordnungen streichen – eine Mammutaufgabe. Noch besser wäre daher eine Musterbauordnung, die offen für neue Technologien ist und auf viele Vorgaben verzichtet. Und das würde dann endlich auch den Anstieg der Baukosten eindämmen.
(Quelle: Focus-Online, 22.09.2018)