Wer zum Abnahmetermin geschickt wird, gilt als bevollmächtigt!
(02.04.2020) Wird der Auftraggeber unter Vorschlag von Abnahmeterminen zur Abnahme aufgefordert und entsendet er zum Termin einen mit der Sache befassten Architekten, muss er sich dessen rechtsgeschäftliche Erklärungen im Wege der Anscheinsvollmacht zurechnen lassen, so das OLG Zweibrücken in seinem Beschluss vom 14.11.2017 - 5 U 42/17 (BGH, Beschluss vom 11.03.2020 - VII ZR 291/17 - Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen).
Der Auftragnehmer (AN) verlangt während der Ausführungsphase vom Auftraggeber (AG) die Stellung einer Bauhandwerkersicherung gem. § 648a BGB a.F. (§ 650f BGB). Als der AG die Sicherheit nicht fristgerecht leistet, erklärt der AN die Kündigung des Bauvertrags und fordert den AG zur Abnahme der erbrachten (Teil-)Leistungen auf. Der AG erscheint nicht selbst zum Abnahmetermin, sondern entsendet "seinen" Architekten, der bei Abschluss des Bauvertrags für den AG tätig war. Der Architekt prüft die vom AN ausgeführte Leistung und sieht sie als ordnungsgemäß erbracht an. Daraufhin legt der AN seine Schlussrechnung, die der AG u. a. mit der Begründung nicht bezahlt, die Forderung sei mangels Abnahme nicht fällig.
Mit diesem Argument dringt der AG nicht durch! Da der Architekt vom AG zum Abnahmetermin entsendet wurde, muss er sich dessen Abnahmeerklärung zurechnen lassen. Dass der AN auf dessen Bevollmächtigung vertrauen durfte, ergibt sich zusätzlich aus dem Umstand, dass der vom AG beauftragte Architekten bereits seit Vertragsschluss in die vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien involviert war. Wenn nach dem Abschluss eines Bauvertrags ein Termin zur Erstellung eines Verhandlungsprotokolls vereinbart wird und der Auftragnehmer dazu einen mit der Sache befassten sachkundigen Mitarbeiter entsendet, muss er sich die rechtsgeschäftlichen Erklärungen dieses Mitarbeiters im Wege der Anscheinsvollmacht zurechnen lassen (vgl. BGH, IBR 2011, 189). Nichts anderes kann gelten, wenn - wie vorliegend - der Auftraggeber zur Abnahme unter Vorschlag von Abnahmeterminen aufgefordert wird und er zum Termin einen mit der Sache befassten Architekten entsendet. Das stellt die Grundsätze des Werkvertrags- und Architektenrechts nicht auf den Kopf, sondern folgt aus den Grundsätzen der Anscheins- und Duldungsvollmacht, die auch im Rahmen der Vollmacht eines entsendeten Architekten Berücksichtigung zu finden haben. Wird ein Architekt vom Auftraggeber zum Abnahmetermin entsandt, wird für ihn eine Anscheinsvollmacht begründet (vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR 2000, 826). Da eine rechtsgeschäftliche Abnahme nachgewiesen ist, kommt es auf eine weitergehende Abgrenzung zwischen Aufmaßnahme, technischer und rechtsgeschäftlicher Abnahme nicht an.
Wird der Bauvertrag zwischen dem Auftraggeber und dem Bauunternehmer auf Auftraggeberseite allein von einem Architekten verhandelt und lässt der Auftraggeber diesem später freie Hand bei der Steuerung und Überwachung des Bauvorhabens, ohne sich selbst um den Bau zu kümmern, ergibt sich daraus eine Anscheinsvollmacht des Architekten für die Erteilung von Nachtragsaufträgen (OLG Köln, IBR 2019, 118). Von dem Architekten angeordnete Änderungs- oder Zusatzleistungen sind dementsprechend nach § 2 Abs. 5, 6 VOB/B bzw. § 650c BGB besonders zu vergüten und stellen keine Leistungen ohne Auftrag (§ 2 Abs. 8 VOB/B bzw. §§ 677 ff. BGB ) dar (vgl. z. B. OLG Brandenburg, IBR 2017, 64).
Covid-19-Pandemie: Keine Befangenheit wegen Nichtverlegung des Untersuchungstermins!
(10.05.2020) Kommt der gerichtliche Sachverständige dem Parteibegehren, seinen Untersuchungstermin wegen der "Corona"-Gefährdungslage abzusagen, nicht nach, ergibt dies nicht seine Befangenheit, so das AG Lünen in seinem Beschluss vom 06.04.2020 - 23 K 36/11.
Der mit der - hier: psychiatrischen - Untersuchung der G gerichtlich beauftragte Sachverständige R erhält den Antrag der G, den von ihm bestimmten Untersuchungstermin wegen Corona zu verlegen. R lehnt ab; G kontert mit Befangenheit.
Das Amtsgericht - Rechtspfleger - weist den Antrag als unbegründet zurück: Der gerichtliche Sachverständige dürfe den Untersuchungstermin nur nach Rücksprache mit dem Gericht verlegen; auf das Verlegungsbegehren der Partei brauche er von sich aus noch nicht zu reagieren.
Die Covid-19-Pandemie erreicht nun auch die Betätigung der gerichtlichen Sachverständigen. Wie verhält der sich da richtig?
1. Sieht der gerichtliche Sachverständige im Fall seiner Abwicklung des Gutachtenauftrags für sich selbst eine konkrete und individuelle Gesundheitsgefahr - generell-abstrakte Risiken genügen nicht - kann er auch im Fall seiner öffentlichen Bestellung und trotz des daraus resultierenden Begutachtungszwangs den Auftrag ohne Sanktionsrisiko zurückgeben. Andernfalls leitet er die Abwicklung seines Gutachtenauftrags in gewohnter Manier ein; insbesondere den Ortstermin kann er - in den Grenzen der Rücksichtnahme auf die Belange der Beteiligten - nach eigenem Gusto bestimmen; konkret heißt dies, dass er ohne Notwendigkeit in der Sache seinen Ortstermin z. B. nicht zur Nachtzeit oder an Sonn- bzw. Feiertagen ansetzt.
2. Kommt ein an der bevorstehenden Untersuchung Beteiligter mit Einwänden gegen vom Sachverständigen bestimmte arbeitsorganisatorische Maßnahmen, wozu auch die Ortsterminsbestimmung gehört, hat der Sachverständige abzuwägen, ob Veranlassung zur Änderung besteht. Entgegen der hier vom Rechtspfleger vertretenen Auffassung ist der Sachverständige zu der Terminsverlegung keinesfalls erst nach Rücksprache mit dem Gericht befugt; vielmehr hat er betreffend die organisatorische Abwicklung seines Gerichtsauftrags "den Hut auf", will heißen: Er ist grundsätzlich auch von sich aus zu Terminsverlegungen berechtigt. In der Ablehnung eines mit Begründung versehenen Antrags auf Verschiebung des vom Sachverständigen bestimmten Ortstermins kann die willkürliche Benachteiligung einer Partei erst gesehen werden, wenn keinerlei sachlicher Grund für das Beibehalten des Ortstermins ersichtlich ist (OLG Brandenburg, IBR 2008, 1170 - nur online).
3. Betreffend auf "Corona" gestütztes Begehren einer notwendig am Ortstermin zu beteiligenden Person bedeutet dies, dass der allgemeine Hinweis auf mögliche Ansteckung noch keine Veranlassung für eine Terminsänderung gibt. Erst wenn konkrete, individuelle Gefährdung offenbart wird, ist eine Reaktion veranlasst. In einem solchen Fall greift § 404a ZPO: Sofern noch hinreichend Zeit da ist, lässt der Sachverständige seinen Termin erst einmal stehen und ersucht das Gericht mit Informationen über dieses konkrete Terminsverlegungsbegehren um Weisung, wobei er dorthin auch bekannt gibt, ob und gegebenenfalls mit welchen eigenen Sicherungsmaßnahmen er diesen Interessen der Partei genügen könnte; parallel informiert er die Verfahrensbeteiligten über dieses Vorgehen. Besteht keine Zeitspanne für ein vorsorgliches Aufrechterhalten des Termins, hebt der Sachverständigen diesen auf und erbittet die gerichtliche Weisung. Erhält er gerichtliche Weisung, ist er an diese gebunden.