Vorsicht beim Hauskauf: Beseitigungsansprüche gegen Nachbarn möglicherweise verjährt
(02.01.2018) Die Verjährung des Anspruchs auf Beseitigung des Überbaus nach § 1004 Abs. 1 BGB beginnt mit Anspruchsentstehung durch Beginn der Beeinträchtigung. Die Verjährung beginnt nicht erneut, wenn ein Eigentümerwechsel auf Seiten des beeinträchtigten Grundstücks erfolgt, so das AG Wedding in seinem Urteil vom 05.07.2017 - 15a C 331/16.
Die Eigentümer eines Wohngrundstücks haben im Jahr 2017 gegen ihre Nachbarn Klage erhoben. Die Garage der Nachbarn befindet sich mit ca. 30 cm auf dem Grundstück der Eigentümer. In der Klage wird von den Nachbarn der technisch mögliche Rückbau der Garage gefordert. Die überbaute Garage wurde (vor) 1970 errichtet. Die Beklagten beantragen die Abweisung der Klage und berufen sich auf die Verjährung etwaiger Beseitigungsansprüche.
Mit Erfolg! Die Nachbarn sind nicht verpflichtet, die Garage zurückzubauen. Infrage komme allein ein Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB. Ob und inwieweit die tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen, prüfte das Amtsgericht nicht. Es setzte sich allein mit Fragen der Verjährung auseinander, wonach der Anspruch auf Rückbau schlicht nicht mehr durchgesetzt werden könne. Denn auch ein Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB unterliege wie nahezu jeder zivilrechtliche Anspruch der Verjährung. Dabei legt das Gericht die bis 2002 geltende Verjährungsfrist von 30 Jahren zu Grunde (§ 195 BGB a.F.) - schon danach sei der Anspruch auf Beseitigung wenigstens im Jahr 2000 verjährt gewesen. Heutzutage wäre § 195 BGB n.F. anzuwenden - eine Verjährungsfrist von nur drei Jahren! Auch beginne keine neue Verjährungsfrist bei Eigentümerwechsel des Grundstücks, der Beseitigungsanspruch sei grundstücksbezogen und die Verjährung beginne daher mit Beginn der Beeinträchtigung, d. h. mit Überbau der Garage und (möglicher) Kenntnis davon (§ 199 BGB).
Die Entscheidung zeigt kurz und bündig das schneidige Schwert der Verjährung des Beseitigungsanspruchs aus § 1004 BGB. Zu trennen ist insbesondere zwischen wiederkehrenden und permanenten Beeinträchtigungen. Erstere sind beispielsweise Lärm- oder Geruchsimmissionen. Gegen sie steht bei jeder neuen Beeinträchtigung mit dem Beseitigungsanspruch eine Möglichkeit der Verteidigung zur Verfügung, da die Beeinträchtigung immer wieder neu entsteht, und mithin auch der Anspruch. Anders ist es bei einer einmaligen, fortdauernden Beeinträchtigung, z. B. einem Überbau. Schon zu Beginn der Beeinträchtigung (und der Kenntnis davon) startet auch der Verjährungsfristlauf. Einmal abgelaufen, setzt sich dieser Umstand am Grundstück fort. Grund dafür ist die Rechtssicherheit. Ein Nachbar muss nach drei Jahren nicht mehr fürchten, dass (plötzlich) der bislang unproblematische und bekannte Überbau zu entfernen ist. Vorsicht ist daher dann beim Grundstückskauf geboten, wenn sichtbar Äste, Gebäudeteile o. Ä. eines Nachbargrundstücks auf das besichtigte Grundstück herüberragen. Dann ist gut beraten, wer beim Verkäufer erfragt, welche rechtliche Bewandtnis der Überbau hat; es kann etwa schriftlich festgehalten ein, dass der Überbau nur bedingt zu dulden ist oder die Nachbarn befinden sich derzeit in Verhandlungen über den Anspruch, so dass die Verjährung gehemmt ist. Dann besteht noch die Möglichkeit eines eigenen Beseitigungsverlangens. Daneben kann sich ein Überbau natürlich auch auf den Kaufpreis des Grundstücks auswirken. Der Überbau könnte nämlich Sachmangel sein, dessen Offensichtlichkeit spätere Gewährleistungsansprüche ausschließt (§ 442 BGB). Gleichwohl kann der neue Eigentümer bei rechtswidrigem wie rechtmäßigem Überbau vom Überbauenden eine Geldrente nach § 913 BGB verlangen, die jährlich im Voraus zu entrichten ist. Dann heißt es nur noch: "Dulde und liquidiere"!