Wie wird die VOB/B Vertragsbestandteil?
(06.11.2015) Der Bauvertrag nach VOB/B unterscheidet sich ganz erheblich von einem BGB-Bauvertrag.
Beispiele: Die VOB/B kennt in § 1 Abs. 3 und Abs. 4 einseitige Anordnungsrechte des Auftraggebers, die dem BGB im Wesentlichen fremd sind.
Die Regelung § 2 Abs. 3 VOB/B eröffnet die Möglichkeit einer Anpassung der vereinbarten Einheitspreise ab einer Mengenabweichung von 10%, im BGB-Vertrag bleiben die Preise grundsätzlich unverändert (Ausnahme: Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB).
Weist die Leistung vor der Abnahme Mängel auf, kann der Auftraggeber im VOB-Vertrag nach § 4 Abs. 7 i.V.m. § 8 Abs. 3 die Kündigung erklären und die Leistung auf Kosten des Auftragnehmers von einem Drittunternehmen fertig stellen lassen, ob dem Auftraggeber auch im BGB-Vertrag vor der Abnahme Mängelrechte zustehen, ist hoch umstritten (siehe z. B. OLG Hamm, IBR 2015, 356, und OLG Köln, IBR 2013, 75).
Auf weitere wichtige Unterschiede kann hier bereits aus Platzgründen (leider) nicht eingegangen werden.
In dem vom OLG Nürnberg entschiedenen Fall (Urteil vom 27.11.2013 - 6 U 2521/09; BGH, Beschluss vom 10.09.2015 - VII ZR 347/13: Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen) jedenfalls hatte der Auftragnehmer dem als "Privatmann" handelnden Auftraggeber ein Angebot unterbreitet, an dessen Ende es hieß: "Dem Angebot liegt die VOB zu Grunde".
Ist sie dadurch Vertragsbestandteil geworden? Nein sagt zutreffend das OLG Nürnberg. Es ist davon auszugehen, dass dem Auftraggeber als "Privatmann", der die Vertragsverhandlungen nicht mit Unterstützung durch einen Architekten führte, die VOB/B nicht vertraut war. Dann genügt der bloße Hinweis auf die VOB/B nicht, um deren Einbeziehung in den Vertrag anzunehmen (BGH, Urteil vom 10.06.1999 - VII ZR 170/98, NJW-RR 1999, 1246 = ZfBR 1999, 327 = IBRRS 2000, 0744).
Der Verwender der VOB/B (hier: der Auftragnehmer) muss seinem zukünftigen Vertragspartner, wenn dieser weder im Baugewerbe tätig noch im Baurecht bewandert ist, in geeigneter Weise Gelegenheit geben, sich bei Vertragsschluss über den vollen Text der VOB/B zu informieren. Diesen Anforderungen genügt z. B. eine Regelung im Vertrag nicht, wonach der Text der VOB/B auf Wunsch kostenlos zur Verfügung gestellt wird (BGH, a.a.O.). Dementsprechend ist es auch nicht ausreichend, wenn man dem Auftraggeber anbietet, die VOB/B in den Geschäftsräumen des Auftragnehmers einsehen zu können (OLG Düsseldorf, IBR 1996, 328).
Einer Privatperson muss also am besten der komplette Text der VOB/B (beweisbar) übergeben werden. Gleiches gilt für die VOB/C. Auch hier reicht der (in § 1 Abs. 1 Satz 2 VOB/B enthaltene) Hinweis auf die VOB/C allein nicht aus, um sie in den Vertrag einzubeziehen (Quack, ZfBR 2005, 731 f).
Unter "Profis" sieht das wiederum anders aus. Im kaufmännischen Geschäftsverkehr genügt es, wenn im Vertrag die Geltung der VOB/B bzw. VOB/C vereinbart wird, ohne der anderen Vertragspartei den entsprechenden VOB-Text übergeben zu haben. Denn von einem Unternehmen kann erwartet werden, dass es unbekannte Vertragsbedingungen anfordert oder sich beschafft. Das gilt selbst dann, wenn es nicht im Baubereich tätig oder bewandert ist (OLG Stuttgart, IBR 2014, 326).