Zimmermann muss nicht prüfen, ob Dachstuhlzeichnung mit Statik übereinstimmt!
(16.02.2018) Ein Bauunternehmer darf sich grundsätzlich auf die Kenntnisse eines Sonderfachmanns verlassen, er hat sie nur auf offenkundige, im Rahmen seiner eigenen Sachkunde ohne Weiteres "ins Auge springende" Mängel zu überprüfen. Von einem Zimmermann kann nicht erwartet werden, dass er bei Vorliegen einer vollständig bemaßten Dachstuhlzeichnung deren Übereinstimmung mit der statischen Berechnung überprüft, so das OLG Naumburg, Urteil vom 10.05.2017 - 5 U 3/17 (BGH, Beschluss vom 11.10.2017 - VII ZR 142/17 - Nichtzulassungsbeschwerde verworfen.
Ein Bauherr beauftragt einen Architekten mit der Vollarchitektur für ein Einfamilienhaus. Die gesondert beauftragte Statik sieht vor, dass die Dachsparren mit einem Abstand von 70 cm eingebaut werden sollen. Der Architekt erstellt eine hiervon abweichende Ausführungsplanung, die einen Sparrenabstand von 98 cm vorsieht. Auf der Basis dieser vollständig bemaßten Dachstuhlzeichnung erstellt der Zimmerer den Dachstuhl. Die vom Zimmerer erstellten Sparrenabstände liegen zwischen 98 cm und 1 m, wobei die Sparren mit größeren Abständen durch kleinere Nachbarfelder ausgeglichen werden. Es stellt sich heraus, dass die Sparrenabstände von 98 cm bis 1 m zu einer deutlichen statischen Überlastung führen. Die Sparrenabstände hätten - wie in der Statik vorgesehen - einen Abstand von 70 cm einhalten müssen, so dass der Dachstuhl baulich ertüchtigt werden muss. Der Bauherr verlangt nun Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung vom Zimmerer.
Ohne Erfolg! Der Zimmerer hat seine Prüf- und Hinweispflicht nicht verletzt. Maßgeblich ist, ob dem Zimmerer bei der von ihm als Fachunternehmen zu erwartenden Prüfung Bedenken gegen die geplante Ausführung (mit dem Sparrenabstand von 98 cm) hätten kommen müssen. In diesem Fall wäre er verpflichtet gewesen, auf die Bedenken hinzuweisen. Dabei darf sich der Bauunternehmer grundsätzlich auf die Erkenntnisse eines Sonderfachmanns verlassen, er hat sie nur auf offenkundige, im Rahmen seiner eigenen Sachkunde ohne Weiteres "ins Auge springende" Mängel zu überprüfen (OLG Köln, Urteil vom 20.05.2015 - 11 U 116/14, IBRRS 2015, 2328). Nach diesen Grundsätzen ist eine Verletzung der Hinweispflicht durch den Zimmerer nicht anzunehmen. Nach dem hierzu eingeholten Sachverständigengutachten kann aus technischer Sicht von einem Zimmermann nicht erwartet werden, dass er bei Vorliegen einer vollständig bemasten Dachstuhlzeichnung deren Übereinstimmung mit der statischen Berechnung überprüft. Der Zimmerer durfte darauf vertrauen, dass die Ausführungsplanung des Architekten der Statik entspricht und musste nicht anhand der Maße in der Zeichnung eine Nachberechnung der Statik vornehmen. Dafür, dass ihm der zu große Sparrenabstand hätte ins Auge springen müssen, bestehen keine Anhaltspunkte.
Die Entscheidung ist völlig zutreffend. Immer wieder wird in gerichtlichen Verfahren über die Frage gestritten, welchen Umfang die Prüf- und Hinweispflichten der Baubeteiligten haben. Allgemein gilt, dass die Baubeteiligten auf das Spezialwissen von Sonderfachleuten vertrauen dürfen. Etwas anderes gilt dann, wenn der betroffene Unternehmer einen Fehler des Sonderfachmanns mit eigenen Bordmitteln erkennen kann. Diese Frage klären die Gerichte in der Regel durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Hierin liegt ein nicht zu unterschätzendes Risiko. Bei der Auswahl des Sachverständigen ist unbedingt darauf zu achten, dass der Sachverständige den Erkenntnishorizont des Fachunternehmers zuverlässig beurteilen kann. Auch auf die Formulierung der Beweisfrage ist große Sorgfalt zu verwenden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass Anforderungen an die Prüf- und Hinweispflichten überstrapaziert werden.